Monat 06-2003

 
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Objekt:Konzerthauses Dortmund - Philharmonie für Westfalen
 
 
 
Ort:
 
Dortmund
 
Bauherr:Stadt Dortmund
 
Entwurf . Planung . Bauleitung:architekten
schröder
schulte-ladbeck
strothmann
 
 
 


 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 

  
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 

 
 
 
 
 
 


Opernhäuser und Konzertsäle zu entwerfen, Theaterbauten zu errichten galt immer schon als eine der großen und ehrenvollen Herausforderungen der Baukunst. Vergleichbar der Bedeutung der Aufgabe die Bedeutung der Architekten, die ihr gewachsen waren und ein schönes und zweckmäßiges Haus hinterließen. In früheren Jahrhunderten war es so. Man denke an das mit dem Titel "Auge und Ohr des Zuschauers" geehrte "Teatro La Fenice" von Gian Antonio Selva in Venedig. Oder an das nicht weniger berühmte und kurz zuvor (1778) eingeweihte "Teatro alla Scala" von Giuseppe Parmirini in Mailand. Wie im 17. und 18. Jahrhundert, so im 19.: Auch die führenden Spielhäuser der Belle Epoque feierten ihre Erbauer, wie etwa das Burgtheater in Wien oder das Opernhaus in Dresden Gottfried Semper. Der Glanz der Repräsentation, den die Herrschenden, die diese "Tempel der Kultur" in Auftrag gaben, auf sich lenkten, dieser Glanz fiel immer auch auf die Baumeister, wenn sie denn Großes geschaffen hatten und der Kultusgemeinde zur verdienten Erbauung verhelfen konnten. Die große Architektur verewigt den Namen des Architekten besonders, wie wir seit der Antike wissen, beim Tempelbau. Auch zweieinhalbtausend Jahre später scheint sich daran nichts geändert zu haben. Das alles hat mit Repräsentationskultur zu tun und damit, wieviel einer Gesellschaft diese Kultur und diese Repräsentation wert sind.
Darüber, allerdings, gehen nach Ort und Einstellung die Meinungen auseinander. Und selbst, wo dies nicht der Fall ist und man gerne der alten Sitte frönen wollte, heißt es heutzutage notorisch und besonders in Dingen der Kultur aufs Geld zu schauen.
Anfang September wird in einer großen deutschen Stadt ein neues Konzerthaus seine Tore öffnen; das "Konzerthaus Dortmund - Philharmonie für Westfalen", wie es offiziell heißt. Rund zweieinhalb Millionen Menschen wohnen in seinem musikalischen Einzugsbereich. Die Bedingungen, die die zum Wettbewerb der Stadt Dortmund eingeladenen Architekten hier vorfanden, waren andere, als für freies Gelände "am Ufer des Flusses" oder "in den Gärten des Schlosses" zu planen und einen großzügig bemessenen Palast der Musik zu entwerfen - koste es was es wolle. Vorgesehen hatten die Verantwortlichen der "Metropole des östlichen Ruhrgebiets und westlichen Westfalens" im Gegenteil ein eher beengtes Innenstadtgrundstück ohne weitere Freiflächen. Inmitten des auch ansonsten eng bebauten "Brückstraßenviertels", einer sozial wie ökonomisch bisher eher problematischen Gegend, sollte dieses neue Konzerthaus zu stehen kommen und auf Dauer helfen, das lang monierte Negativimage des Quartiers aufzupolieren. Vorerst aber muss das Haus inmitten einer nicht unsympathischen Umgebung von Dönerbuden und Spielhallen, leerstehenden Lagerhäusern und abbröckelnden Fassaden glänzen.
Nach Plänen der architekten schröder schulte-ladbeck strothmann - so der offizielle Firmenname des Büros, das den Wettbewerb für sich entscheiden konnte - entstand ein Neubau, worin das eigentliche Konzerthaus zusammen mit seinem urban modernen Ambiente - mit Flaneurmeile, Geschäften, Bistro, Café und Restaurant - unter einem Dach aufgehoben ist. Und es glänzt tatsächlich. Genauer gesagt vermag die Fassade der Philharmonie zu glänzen, wenn am Abend die Lichter angehen und die Musik bald beginnt. Wie die Haut eines Chamäleons verwandelt sich dann die Außenhülle des Hauses. Die milchig weiße Tagesansicht wechselt zu farbig schillernder Fläche , die die Gäste begrüßt. Um diesen Effekt zu erreichen ließen die Architekten in die Glashaut, die den Eckbau straßenseitig umspannt, senkrecht stehende, farbige Leuchtröhren ein. Nach draußen können damit Lichtspiele erzeugt werden - den unterschiedlichen Melodien der Instrumente drinnen ähnlich. Freilich muss was hier der Konzertmeister dirigiert dort der Computer steuern. Wenn die vorgehängte Glashaut changiert, belebt das farbige Spiel die ansonsten im oberen Teil der Front opaken Außenflächen, macht sie leicht und luzide, lässt unterschiedliche Stimmungen von ihnen ausgehen. Über diese Haut vermag das Haus von sich aus mit Passanten und Besuchern Kontakt aufzunehmen. Und passen tut das alles auch nicht schlecht zu den Reklametafeln und Leuchtröhren der türkischen und arabischen Imbissstuben in den Nebenstraßen.
"Kommunikation" ist nicht von Ungefähr ein Leitwort der Architektur von schröder schulte-ladbeck strothmann, die nicht nur das Konzerthaus gebaut haben, sondern mit der Erweiterung des Dortmunder Westfalenstadions zur WM 2006 und dem Neubau der Essener Schwimmarena zur Olympiade 2012 erneut zwei Großprojekte in der Region realisieren werden.
Wie die höher über der Straßenfront ansetzende Glasfassade, so das darunter leicht zurücktretende, ebenfalls in Glas gefasste großzügige Foyer des Hauses auf Erdgeschossebene. Auch dieses Element erleichtert die Begegnung, lädt ein zu Besuch und Bummel. Was das farbige Spiel emotional bewirkt, funktioniert hier ganz praktisch: die Transparenz des Glases lässt den umgebenden Stadtraum ins Entrée hinein. Alles ist durchsichtig. Das dunkle Pflaster draußen verlängert sich in den dunklen Granit der Eingangshalle. Auch die Türen wirken weniger als Schranken, denn als einladende Flügel. So kommen Berührungsängste gegenüber dem "Kulturtempel" erst gar nicht auf. Die Dortmunder Philharmonie hat nicht, was viele große Opernhäuser und Theater haben, einen Empfangs- und Vorplatz. Aber es überzeugt, wie dieses Manko kompensiert und ein solcher Platz geschaffen wurde, in dem das Leben und Treiben mit ins Haus, gleichsam unter neue Arkaden genommen wurde. Mit dem "Stadtfoyer" des Konzerthauses hat die Dortmunder Innenstadt einen neuen öffentlichen Platz bekommen. Hier kann man sich zum Kaffee treffen oder zum Cocktail, auch wenn man nicht ins Konzert geht.
Nun ist Kommunikation kein Selbstzweck. In ein Konzerthaus kommt man, auch wenn man in seiner Umgebung anderes tun kann, um Musik zu hören. Dem muss der Raum genügen. Und dort auch musste der Ausgangspunkt für die Konzeption der Architekten liegen: bei der Frage nach der besten Akustik. Und wie bei allen Konzerthäusern, bei denen die ästhetische Gestaltung mit gelungener Funktionalität Hand in Hand geht, hieß das, den eigentlichen Musikraum geradezu zwangsläufig in Form eines Rechtecks zu planen. Der Konzertsaal wurde also bewusst als Klangraum konzipiert. Mit etwa 2 Sekunden bringt es der Dortmunder Konzertsaal auf eine Nachhallzeit, womit nur wenige andere Säle, etwa der Saal des Wiener Musikvereins, konkurrieren können. Optimal erreicht bei vollem Haus. Seitenschall und Diffusität sind wichtige Parameter, die das räumliche Hören beeinflussen. Reflektierte Töne werden durch die geometrisch gestalteten Wandflächen in klanglich erwünschter Art beeinflusst. Gebogene, in sich strukturierte Elemente streuen die auftreffende Schallenergie und lenken sie ins Publikum. Die rechtwinklig stehenden Seitenwände liegen nahe den Sitzreihen, so dass die Schallreflexionen schnell und energetisch aufgeladen ans Ohr des Zuhörers dringt. Zwei Emporen dienen zusätzlich als horizontale Reflektoren. Für gute akustische Bedingungen sorgt nicht zuletzt der Boden, ein mit dem Gesamt der verwendeten Materialien bestens harmonierendes Holzparkett.
Wie die von den Architekten selbst entworfene Bestuhlung - aus ebenfalls hellem Holz mit schwarzem Bezug - steht der Boden nicht allein im Dienst der Akustik. Optimaler Hörgenuss bedeutet, dass sich der Besucher rundum wohlfühlt. Dafür sorgt die Gestaltung. Die Atmosphäre ist freundlich festlich. Die schallleitenden Elemente an den Wänden beispielsweise sind so gearbeitet, dass sie dem hohen Raum mit den konzerthaustypischen Ballustraden trotz der strengen Geometrie einen schwingenden Charakter verleihen. Dasselbe gilt von den großen "Segeln" hoch über dem Podium, die in Höhe und Neigung verändert werden können und ebenfalls der akustischen Steuerung dienen. Die Lichtregie vermag alle Inszenierungen zu unterstützen, Stimmungen zu beeinflussen oder gar zu evozieren: Der Raum kann je nach Anlass insgesamt in unterschiedliche Farbtöne getaucht werden.
Die Bühne bekommt ihr Licht von Scheinwerfern, die in die Decke und die Schallsegel oben über dem Podium eingelassen sind. Und auf Höhe der Vorbühne sind weitere Scheinwerfer, die die Szene beleuchten, an den seitlichen Galerien fixiert. Die Spielfläche ist vergleichsweise weit in den Saal hineingezogen und bietet mit 200 bis 220 qm einen optimalen Zuschnitt für so ziemlich alle Darbietungsformen. Um auch nicht unmittelbar mit musikalischen Ereignissen verknüpfte Veranstaltungen oder eine kommerzielle Nutzung des Saales zu ermöglichen - öffentliche Ehrungen, Vorträge, Filmvorführungen - , wurde das bühnentechnische Konzept entsprechend ergänzt. Für die "kleinen Formen" kann der Saal mit einem Vorhang in der Mitte geteilt und von etwas über 1500 auf knapp 900 Plätze verkleinert werden. Die Künstlerzimmer und -garderoben haben die Architekten im Souterrain untergebracht. Hohe Aufenthaltsqualität war ihnen auch hier ein Anliegen. Dass es unter der Erde genug Platz gibt, zeigt auch der Orchesterproberaum: unmittelbar unter dem Podium des Konzertsaals gelegen, dürfte er bei vier Metern Raumhöhe nicht einmal dem Pauker oder den Bassistinnen beengt erscheinen.
Über dem Podium, das sich mittels verschiedener hydraulisch arbeitender Hubvorrichtungen um etliche Quadratmeter mehr oder weniger verändern lässt, erhebt sich die große Konzertorgel, die von der weltweit renommierten Orgelbaufirma Klais in Bonn gebaut und deren Design mit den architekten schröder schulte-ladbeck strothmann abgestimmt wurde. Dem ausgeklügelten Beleuchtungskonzept korrespondiert die Ton- und Videotechnik. Die Beschallungsanlage ist flächendeckend und dient vornehmlich der Sprachübertragung in den Konzertsaal. Standardmäßig stehen drahtlose und draht-gebundene Mikrofone zur Verfügung. Hausinterne Tonaufzeichnungen sind möglich auf digitalen und analogen Trägermedien. Fest installierte Anschlüsse für Hörfunk und TV erlauben Direktübertragungen nach draußen oder in den Ü-Wagen. Moderne Videotechnik erleichtert die Veranstaltungssteuerung. Szenenfläche, Publikumsbereiche und Dirigentenpult können an einer Vielzahl von Anschlussstellen auf mobilen Videomonitoren betrachtet werden. Das Inspizientenpult ist wie üblich ebenfalls mit entsprechenden Monitoren ausgerüstet. Eine Induktionsschleife für Hörbehinderte rundet die Grundausstattung ab.
Das ganze Innere ist in eine 40 cm dicke Betonschale eingeschlossen. Kein unpassendes Geräusch kann den Genuss hier drinnen stören. Klima- und Haustechnik arbeiten auf minimalem Geräuschpegel. Derart technisch unterstützt, kann die Musik ihre volle Dynamik entwickeln. Das Publikum erlebt Bruckners Neunte oder Mozarts D-Dur-Klavierkonzert plastisch und intensiv.
Der große Konzertsaal mag in der Tat an eine "Muschel" erinnern, "die die Musik wie eine Kostbarkeit behütet" - wie der Architekt Peter Strothmann schwärmt. Ihre in Stahlbeton gegossene Schale zeigt zu den Foyers hin eine raue, dunkelgrau schwarze Textur. Im Inneren dagegen dominieren Licht, helle Farben und edle Materialien. Wenigstens hier spürt man noch den Hauch der Repräsentation vergangener Tage, die Festlichkeit, die sich die Konzertbesucher auch dann wünschen, wenn sie nicht in Frack oder Abendrobe erscheinen.
Wobei auch wer den geschlossenen Saal verlässt, sich innerhalb eines durchaus repräsentativen Ambientes bewegt. Treppen und Brücken geben den Blick fast über vier Foyer-Ebenen frei. Die Transparenz und Offenheit der großen Eingangshalle im Erdgeschoss setzt sich hier auf der ersten und den weiteren Ebenen, die den Saalkörper umgeben, fort. In den Pausen kann man promenieren oder aber die zu den umlaufenden Flächen hin offene Bar aufsuchen und eine Erfrischung zu sich nehmen und über die Inszenierung fachsimpeln.
Überhaupt gibt es für Künstler, Konzertpublikum wie auch Gelegenheitsbesucher, die sich im Stadtfoyer aufhalten wollen, ein attraktives gastronomisches Angebot. Über kurze Wege ist es für alle bequem zu erreichen. Das Restaurant-Bistro, das sich in einem Halbkreissegment an die Passage lehnt, ist nicht der schlechteste Ort in der Stadt, um sich in freundlicher Atmosphäre bedienen zu lassen. Das Restaurant öffnet sich zum Hauptgebäude. Die hier unten durchsichtige Glasfassade gewährt wie von außen Einsicht von drinnen Aussicht auf Kommen und Gehen.
Die "Hörbar" versorgt mit Musik-CDs und Erfrischungen. Auch sie kann zum Treffpunkt werden, um nachmittags einen Cappuccino oder vor dem Konzert ein Wasser zu trinken.
Durchaus ein Haus vielfacher Begegnungen. Dem dient die Transparenz, die überall beherrscht. Selbst in den Zugangsbereichen. Von der Parkgarage auf der Seite Reinoldistraße kommt man durch eine öffentliche Passage ins Konzerthaus. Sie macht das Gebäude von beiden Seiten begehbar. Und auch sie ist vollständig transparent. Durchlässigkeit ist ganz sinnlich erfahrbar. Wendet man den Kopf nach oben, schaut man bis in den Himmel.

Die architekten schröder schulte-ladbeck strothmann, die jetzt in einem von ihnen restaurierten und umgebauten alten Wasserturm der Reichs- und Bundesbahn am Heiligen Weg in Dortmund residieren, sind ihrem neuen Signet gerecht geworden. Es zeigt einen netten Hund - mit fünf Beinen und drei Augen. Das Motto, das damit kommuniziert wird, heißt "just one more". Was soviel meint wie "für jede Aufgabe eine passende Lösung - und ein bisschen mehr". Anzusehen im und am "Konzerthaus Dortmund".

Die Eröffnung des "Konzerthauses Dortmund - Philharmonie für Westfalen" fand am 14. September 2002 mit Beethovens Leonoren-Ouvertüre und seiner D-Moll Symphonie op. 125 statt.
 



  


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