Die Bilanz von "sieben mageren Jahren"*

 
 


Krise ist ein produktiver Zustand -
man muss ihr nur den
Beigeschmack der Katastrophe nehmen.
Max Frisch


1. Vorgeschmack
2. Die Situation des Fenster- und Türenmarktes in Deutschland von 1995 bis 2003
2.1 Fenstermarkt
2.2 Türenmarkt
3. Die Situation der Bauwirtschaft
4. Die Auswirkungen auf das Geschäftsklima der Branche
4.1 Mengen- und Preisverfall
4.2 Investitionsbereitschaft
4.3 Unternehmensinsolvenzen
4.4 Auswirkungen
5. Kommen jetzt die "sieben fetten Jahre"?
 
1. Vorgeschmack
Alle Hoffnungen auf eine Stabilisierung der Situation haben sich zerschlagen. Die Prognosen für die Branche sind das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind. Diese Kaffesatz-Leserei hat mit Wissenschaft soviel zu tun wie Astrologie. Die Rahmenbedingungen verstärken oder schwächen nur den Trend. Die Börse schwächelt erheblich, die globalen Faktoren sind unberechenbar und die Regierung will scheinbar einen Guiness-Rekord im Versprecheneinsammeln aufstellen.

Die Reaktion der Industrie ist ein Zurückfahren der Investitionsbereitschaft und ein Stellenstreichkonzert. Der Bürger kriegt es mit der Angst zu tun und spart auf Teufel-komm-raus. Der Handel erlebt ein Waterloo nach dem anderen und der große Ausverkauf findet nicht nur zwei mal im Jahre statt. Die Kommunen kommen auf die seltsamsten Ideen wie man Geld sparen kann, die Bundesregierung hat den sozialen Wohnungsbau in drei Jahren um 50 Prozent gekürzt und reduziert das Häusle-Bau-Programm um weitere Milliarden.

Das Gerede von einem Aufbruch ist dem Pfeifen im Walde gleichzusetzen. Die Initiative zur Halbierung des Mehrwertsteuersatzes hat unter den gegebenen Umständen nicht mal den Hauch einer Chance. In das gleiche Loch fällt die begrüßenswerte Initiative zur Reduzierung des CO2-Anteils im Rahmen der Energie-Einspar-Verordnung EnEV.

Tatsächliche Zahl "renovierungsbedürftiger" Fenster
Die Rechnung von 380 Millionen renovierungsbedürftiger Fenster in Deutschland, wie in den Medien lanciert, stimmt nicht. Bei 37 Millionen Wohneinheiten (Destatis) in der Bundesrepublik Deutschland würde das bedeuten, dass je Wohneinheit 10,2 Fenster vorhanden wären. Nur Wohnbauten vor 1978 sind als akut renovierungsbedürftig anzusehen und somit beträgt der Renovierungsanteil maximal 28,861 Millionen Wohneinheiten. Die durchschnittliche Wohneinheit lt. Statistik umfasst 86,7 qm, hat aber keine 13 Fenster sondern nur durchschnittlich fünf, so dass maximal 144 Millionen Fenster in die Kategorie "renovierungs- bedürftig" einzuordnen sind. Die Verstärkung der Bemühungen im Umweltschutz wird über die notwendigen Richtlinien und Verordnungen (u.a. EnEV) diesen "Renovierungsbestand" in den nächsten 20 Jahren ins Auge fassen, d.h., zirka sieben Millionen Fenster/Jahr werden aus diesem Bestand resultieren. Unter oben angeführten Rahmenbedingungen muss der Verbraucher überzeugt werden, dass er davon profitiert. Die Energiepreise sind in Zukunft als sehr variabel einzustufen, so dass Ersparnisrechnungen nicht die ausschlaggebende Motivation sind. Die Erfahrung aus den Börsengeschäften sitzt zu tief, als dass man diesbezüglich Vertrauen erwarten kann. Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler!
 
 

Bild 1: Wohneinheiten in Perioden zur Definition des Renovierungsbedarfs (Quelle: Destatis)
 
 
Um das Ganze in den Griff zu bekommen, muss man die Ist-Situation stringent und selbstkritisch betrachten und die Schlussfolgerungen in ein langfristiges Gesamtkonzept einbringen. Das Ziel besteht darin, dass innovative, leistungsfähige und wirtschaftlich gesunde Betriebe eine Menge von bestenfalls 13 Millionen Fenstereinheiten zu akzeptablen Preisen jährlich dem Markt zur Verfügung stellen können. Dem gegenüber steht eine Kapazität in der Branche von immer noch 35 Millionen Fenstereinheiten. Von dieser Problematik soll auf den nächsten Seiten die Rede sein.


2. Die Situation des Fenster- und Türenmarktes in Deutschland von 1995 bis 2003
2.1 Fenstermarkt
In epischer Breite würde der Umfang dieser Beschreibung Tolstois "Krieg und Frieden" entsprechen, Demgegenüber geben Statistiken und Graphiken die Chance, den Überblick zu gewinnen ohne erschöpft zwischendurch aufgeben zu müssen.

Der Rückgang an Fenstereinheiten von 1995 bis 2003 wird ca. 50% des Mengenvolumens betragen, wobei der Rückgang in den einzelnen Rahmenmaterialien unterschiedlich ist. Im Kunststoff ist ein Rückgang um 46% von 12,3 Mio. FE auf ca. 6,6 Mio. FE zu erwarten, bei Holz um 65% von 7,4 Mio. FE auf ca. 2,6 Mio. FE, bei Alu um 58% von 5,2 Mio. FE auf 2,2 Mio. FE und bei Holz-Alu ein annähernd gleich bleibendes Niveau von 100%. Frühestens ab 2004 ist mit einer Stagnation zu rechnen, sofern die Politik die Rahmenbedingungen ändert.
 
 

 Bild 2: Fenstermarkt 1995 bis 2003* (*geschätzt) nach Rahmenmaterialien
Quelle: Destatis-Zeitreihen/VFF/Datenbankrecherche
  
 
Eine weitere, bedeutende Verschiebung zeichnet sich in der Veränderung der Marktsegmente Neubau und Altbau ab. Der prozentuale Fensteranteil im Altbau mit 59% im Jahre 1997 verringert sich sukzessive auf 44% im Jahre 2003.


Bild 3: Fenstermarkt 1995 bis 2003*(*geschätzt) nach Marktsegmenten
 
 
Von 1995 bis 2001 ist der Rückgang im Wohnbau mit -48% katastrophal und wird auf schätzungsweise -61% bis Ende 2003 abfallen. Der Einbruch im Nichtwohnbau stellt sich mit -24% dagegen moderat dar.
 
 

Bild 4: Fenstermarkt 1995 bis 2003* (*geschätzt) im Wohn- und Nichtwohnbau
Quelle: Destatis-Zeitreihen/VFF/Datenbankrecherche
 
 
Die weiteren Parameter zur Darstellung der Perspektiven werden in den folgenden Abschnitten "Bauwirtschaft" und "Unternehmensinsolvenzen" visualisiert und beschrieben.
 
 
2.2 Türenmarkt
Entgegen dem Trend im Fenstermarkt stieg die Gesamtzahl an Türen, wenn auch moderat, von 1995 bis 1998 um 5% an. Jedoch ab da ging es auch bergab. Unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehender Parameter wird sich die Stückzahl bis Ende 2003 auf 999.000 reduziert haben. Das entspricht in 5 Jahren einem Rückgang von - 36%.
 
 

Bild 5: Außentürenmarkt 1995 bis 2003* (*geschätzt) nach Rahmenmaterialien
Quelle: Destatis-Zeitreihen/VFF/Datenbankrecherche
 
 
Der Außentürenmarkt ist in den Rahmenmaterialien Glas und Holz extrem stark (- 22% in 2001) abgestürzt und wird bis 2003 auf -45% sinken. Etwas weniger beim Rahmenmaterial Alu (-34%) und relativ geringfügig im Kunststoff (-20%). Wenn man den Marktanteil bei Kunststoff (11% in 2001) innerhalb des Außentürenmarktes betrachtet, so ist aus dieser Feststellung jedoch keine Hoffnung zu schöpfen.
Im Gegensatz zum Fenstermarkt ist die Veränderung der Marktsegmente im Türenmarkt, abgesehen von der Verringerung des Gesamtabsatzes, prozentual stabil geblieben mit tendenzieller Verringerung des Altbauanteils aufgrund der steuerlichen und einkommensrela vanten Einflüsse in 2002 und 2003.


Bild 6: Außentürenmarkt 1995 bis 2003* (*geschätzt) nach Marktsegmenten
Quelle: Destatis-Zeitreihen/VFF/Datenbankrecherche
 
 
Die relative Stabilität des Außentürenmarktes im Nichtwohnbau wird in den kommenden Jahren aufgrund der Überbestände und der Investitionszurückhaltung unter Druck kommen und auf ein Mengenvolumen von 343.000 Stück zurückfallen und sich in der Gesamtmenge von 1998 auf 2003 um 40% reduziert haben.
 
 

Bild 7: Außentürenmarkt 1995 bis 2003*(*geschätzt) im Wohn- und Nichtwohnbau
Quelle: Destatis-Zeitreihen/VFF/Datenbankrecherche
 
 
Die Differenz des Rückgangs zwischen Fenster- und Außentürenmarkt lässt den Schluss zu, dass dies auf den zurückgehenden Anteil des Mehrfamilienhauses zugunsten des 1-/2-Familienhauses ab 1998 zurück zu führen ist.
 
3. Die Situation der Bauwirtschaft
Die Bauwirtschaft leidet Not, diese Situation ist seit dem Jahre 1995 jedem in der Branche gegenwärtig und schlägt sich im Fenster- und Türenmarkt gravierend nieder. Die Neubauten sind mit ca. 35% am Gesamtabsatz Fenster und Türen beteiligt. Der Trend für das Altbaugeschäft ist jedoch stark abnehmend, was auf die allgemeine Verunsicherung des Marktes zurück zu führen ist und auf einen jeweils 50%-Anteil für Alt- und Neubauten hinausläuft.

Ab dem Jahre 1995 bis 2002 hat sich die Anzahl der Wohnungsfertigstellungen (und nur das zählt für das betreffende Jahr) nahezu halbiert. Der Trend weist weiter nach unten und wird frühestens 2004 zum Stillstand kommen. Das gilt für Wohnbauten, Nichtwohnbauten und Wohnungsfertigstellungen in bestehenden Gebäuden in gleichem Maße.
 
 

Bild 8: Wohnungsfertigstellungen 1995 bis 2003 (* Trend berechnet)
Quelle: Destatis-Zeitreihen
 
 
Der 1996 erkennbare Trend der Zunahme der Wohnbautenfertigstellungen für 1-/2-Familienhäuser zu ungunsten der Mehrfamilienhäuser ist bereits im Jahre 2000 zu Ende gewesen und hat sich dem Trend der Mehrfamilienhäuser angepasst. Was daraus resultiert ist die Zunahme des Außentürenmarktes von 1996 bis 1998 um 33.000 Außentüren, bei einem insgesamt rückläufigem Markt.
 
 



Bild 9: Wohnbautenfertigstellungen 1995 bis 2003
Quelle: Destatis-Zeitreihen (* geschätzt unter Berücksichtigung der Streichung von Teilen der Eigenheimzulage)



Bild 10:Baugenehmigungen Wohn- und Nichtwohnbau
Quelle: Destatis-Zeitreihen * exponentieller Trend
 
 
In diesen Trend passt auch die von den Bundesregierungen vorgenommenen Reduzierungen der öffentliche Fördermittel im sozialen Wohnungsbau in den Jahren 1995 bis 2002 und die darüber hinausgehenden weiteren Kürzungen. (Kleine Anfrage der PDS im Bundestag - dpa-Meldung vom 14.04.02). Der Trend der durchgeführten Kürzungen lässt die Prognose für das Jahr 2003 mit hoher Wahrscheinlichkeit zu.
 
 

Bild 11: Budgetreduzierung der öffentlichen Mittel im sozialen Wohnungsbau
in den Jahren 1995 bis 2003 (* geschätzt) Quelle: Creditreform
 

4. Die Auswirkungen auf das Geschäftsklima der Branche
4.1 Mengen- und Preisverfall
Die Lage ist geprägt durch einen ungebremsten Mengenverfall, der aufgrund der unbefriedigenden Insolvenzgesetzgebung, zu keiner Marktbereinigung und damit zum Abbau der Überkapazitäten führt. Aus dieser Situation geht mit dem Mengenverfall ein ruinöser Preisverfall einher. Die verlangte Qualität soll erstklassig sein, jedoch zu Preisen wie Ramschware. Diese Diskrepanz wird z. T. mit Quersubventionen ausgeglichen, aber nicht dauerhaft durchgehalten.
 
 

Bild12: Mengen- und Preisverfall 1995 bis 2002
 
 
4.2 Investitionsbereitschaft
Die Ertragssituation kann nicht befriedigend sein, wenn zu Grenzkosten verkauft wird. Die Eigenkapitalausstattung ist im Bau und den nahe stehenden Betrieben der Branche die schlechteste in der gesamten gewerblichen Wirtschaft. Die Konsequenz daraus ist, dass die Kreditlinien durch vorgezogenes Basel II gekürzt werden, die Lieferantenkredite zurückgefahren werden und damit die Investitionsbereitschaft, obwohl dringend notwendig zur Steigerung der Produktivität, gegen 0 tendiert.
 
 

Bild 13: Investitionsbereitschaft im Mittelstand 1996 bis 2002
Quelle: Creditreform
 
 
4.3 Unternehmensinsolvenzen
Die Unternehmensinsolvenzen sind im Jahre 2001 auf ein neues Hoch gestiegen und werden, nach der Hochrechnung für das 2. Halbjahr 2002, den größten Jahressprung seit 1991 verzeichnen (die Verbraucherinsolvenzen sind nicht enthalten!). Die Gründe sind, wie bereits vorher erwähnt, in der geringen Eigenkapitalausstattung, den Kreditrestriktionen, in Forderungsausfällen und in der versauten Zahlungsmoral mit Fristen > 90 Tagen zu sehen.
 
 

Bild 14 : Unternehmensinsolvenzen 1991 bis 2002*
Quelle: Creditreform - * geschätzt nach Auswertung 1. Halbjahr
 
 
Nach Wirtschaftsbereichen aufgeführt ist der Bau mit 28,2% an den Insolvenzen beteiligt, obwohl die Anzahl der Unternehmen umgekehrt proportional zur Anzahl der Insolvenzen steht. In der Insolvenzanfälligkeit ist ersichtlich, dass der Bau doppelt so wie der Durchschnitt aller Wirtschaftsbereiche in der Insolvenz je 10.000 Unternehmen abschneidet.
 
 

Bild 15: Insolvenzen je 10.000 Unternehmen
Quelle: Creditreform
 
 
Der Hauptanteil der insolventen Unternehmen liegt in der Umsatzgröße zwischen 5 und 25 Mio. Euro Umsatz. Die Schäden durch Insolvenz betragen in Deutschland zwischen 27 und 40 Milliarden Euro pro Jahr. Der sprunghafte Anstieg in den letzten 2 Jahren hat bei ungefähr gleichen Insolvenzschäden pro Insolvenzfall auch einen Anstieg der absoluten Schadenshöhe bewirkt.
 
 

Bild 16: Insolvenzschäden in Deutschland privat und öffentlich in Milliarden €
(Quelle: Creditreform)
 
 
4.4 Auswirkungen
Ein Ausschnitt aus einer Recherche aus dem Jahre 1995, nur aus Unternehmen der Branche mit > 20 Mio. DM Umsatz, hat nach 7 Jahren nur noch 6 Überlebende von ehemals 15 Firmen. Das sind die Fakten, nur sind die Ursachen damit nicht erklärt. Dazu ist noch einiges im folgenden Kapitel zu sagen.
 
 

Bild 17: Firmen in Postleitzahl-Region 8 1995 und 2002
 
 
5. Kommen jetzt die "sieben fetten Jahre"?
Man muss nur fest daran glauben und aus dem kleinsten gemeinsamen Nenner heraus das Vertrauen in die Marktwirtschaft wiederfinden. Es ist ja nicht so, dass die ganze Branche desolat ist. Bei bundesweit gleichen Voraussetzungen der Steuerpolitik und Abgabenordnung, der Macht der Interessenverbände und der Parteienwirtschaft, der restriktiven Politik der Banken und der internationalen Verflechtung von Geld und Macht müssen darüber hinaus noch andere Faktoren zum Desaster beigetragen haben. Die Bauindustrie ist der Branche F+T immer noch einen Schritt voraus nach dem Motto: Heute stehen wir am Abgrund, morgen sind wir einen Schritt weiter. Das irre Verschleudern von Mitteln nach der Wiedervereinigung, vom Staat gefördert, ließ die Bäume fast in den Himmel wachsen, aber nur fast. Das Ergebnis dieses Irrsinns baden jetzt alle aus - mit dem Verlust des Arbeitsplatzes, eklatanter Erhöhung der Abgaben in allen Bereichen und einer um sich greifenden Vertrauenskrise.

Vernünftig ist es, bei der Betrachtung dieser Situation nicht nur diese selbst zu betrachten, sondern den Gesamtzusammenhang zu erkennen, in den diese Situation eingebettet ist. Wird das ignoriert, so wird nur wieder an den Symptomen herumkuriert, die tatsächlichen Zusammenhänge aber werden übersehen. Denn man neigt dazu, unangenehme Ursachen geflissentlich zu übersehen und den Schaden mit keinerlei bzw. den falschen Entscheidungen zu vergrößern.

Aber lassen wir es gut sein: Dem Nichtwissenden stellt sich die Welt einfach dar. Zu den operativen und strategischen Fehlleistungen ist in der Vergangenheit eine Menge gesagt und geschrieben worden. Für einige war es bereits zu spät und weitere werden in 2003 noch folgen. Der Weg in die Pleite hat viele Väter. 

Kriterien zur Erkennung der Insolvenzwahrscheinlichkeit
KriteriumBeschreibung
UmsatzsteigerungUmsatzsteigerung ist immer positiv für das Unternehmen, wenn die Umsatzrendite dadurch nicht fällt.
UmsatzrenditeDie Höhe der Rendite und ihre Veränderung zum Vorjahr sind Kennzeichen für ein gutes Management.
Eigenkapitalquote Die EKQ ist in Verbindung mit anderen Einflussgrößen wie Rückstellungen, hohes bilanzielles Sachanlagevermögen, hohes bilanzielles Umlaufvermögen etc. ein Kriterium zur Liquiditätssicherung, zur Besicherung von Krediten und damit zur langfristigen Unternehmensfinanzierung.
ZinskostenquoteHohe Zinskosten lassen auf eine hohe Verschuldung, auf eine ungünstige Fristenstellung und auf schlechte Zinskonditionen schließen - bei rückläufigen Erträgen und Umsätzen der direkte Weg zur Insolvenz.
AbschreibungsquoteInvestitionen dienen der Zukunftssicherung, hohe Abschreibungsquote weist darauf hin und mindert die Gewinnsteuer (Jahresüberschuss).
BeteiligungsquoteDie Eigenkapitalbildung über Beteiligungsfinanzierung ist vor allem bei gefährdeten Firmen überwiegend gegeben, da der Zugang zum Kreditmarkt versperrt ist.

In der Analyse kompetenter Bankfachleute muss man sich mit den Kriterien der Insolvenzwahrscheinlichkeit durch die Primärursachen wie die Insolvenzursachen, die Eigenkapitalausstattung und die Sekundär-Ursachen wie Umlaufvermögen, Abschreibung, Export-Anteil, Risikostreuung, Firmengröße und Rechtsform in ihrer Gänze auseinandersetzen.

Insolvenzursachen
Zu den Insolvenzursachen gibt es keine einheitliche Aussage, da sich eine Menge von Ursachen, teils mit Dämpfungs-, aber auch mit Verstärkungseffekten, gegenseitig beeinflussen; z.B. ist das Alter der Firmen ein wesentlicher Faktor. Im letzten Jahrzehnt waren 80 Prozent der insolventen Firmen über ihr 8. Firmenjubiläum nicht hinausgekommen, sehr deutlich erkennbar an den Unterschieden zwischen Ost- und Westdeutschland.

Managementfehler als Hauptursache für Insolvenz
Aus der Vielzahl gewichteter Einflussgrößen wurde von verschiedenen Autoren versucht, über Risiko-Verhältnisse (Odds Ratio) Modellrechnungen für die Insolvenzanfälligkeit von Unternehmen zu errechnen. M. E. sind positive und negative Einflussgrößen maßgeblich an der Insolvenz beteiligt, wie hoch jedoch der einzelne Anteil wirksam wird, ist eine Gleichung mit sehr vielen Unbekannten. Das aus den Analysen dominant herausragende Problem für Insolvenzen ist jedoch das Management. In dieser und auch in anderen vergleichbaren Studien wird in "Managementfehlern", bei rund 80 Prozent der Insolvenzen, die Hauptursache gesehen. In der Analyse des DIW sind es:
• Planungsfehler
• falsche Bedarfseinschätzung
• Fehler in der Entwicklung
• fehlerhafte Umstrukturierungen
• fehlende Invest-Planung und -Umsetzung.
• mangelhafte Modernisierung
• falsche Markteinschätzung
• falsche Finanzierung
• durch fehlende Qualifikation und mangelhafte kaufmännische Kenntnisse
 
Eigenkapital
Insolvenzanfälligkeit wird sehr oft fehlendem Eigenkapital nachgesagt, was sich i.d.R. auch bestätigt, aber nicht als alleinige Ursache gelten kann. Eine Verbesserung der Eigenkapitalquote stellt natürlich auch eine Verbesserung der Haftbasis dar und wirkt sich positiv gegenüber den Banken aus. Trotz einer gewissen Korrelation zwischen Eigenkapital und Insolvenz ist diese Einflussgröße als alleiniger Insolvenzauslöser auszuschließen. Eigenkapitalmangel ist das Ergebnis bereits länger andauernder Probleme. Als Eigenkapitalersatz sind auch Rückstellungen zu betrachten. Ähnlich verhält sich auch ein hohes bilanzielles Sachanlagevermögen, das der Besicherung von Krediten zur langfristigen Unternehmensfinanzierung dienlich ist. Ein hohes Umlaufvermögen mindert ebenfalls die Insolvenzwahrscheinlichkeit, da i.d.R. die enthaltenen Positionen liquiditätsnah sind. Gleiches gilt auch für Investitionen (Abschreibungsaufwand), der als Zukunftssicherung angesehen wird.

Zur Frage der Absicherung gegen Insolvenz durch splitten des Marktes in regional, überregional und international ist aufgrund des geringen Exportanteils der Branche keine gesicherte Aussage zu machen. Regionale Anbieter haben Vorteile durch die Nähe des Marktes in der Organisation, Logistik und Marktkenntnis (Platzhirsch), überregionale Anbieter sind dem Wettbewerbsdruck aller Wettbewerber ziemlich schutzlos ausgeliefert, was sich im Service, Logistik, Marktkenntnis und Dominanz auswirkt.

Ein maßgeblicher Faktor für Insolvenzgefährdung liegt im Auftreten temporärer Liquiditätsschwierigkeiten. Forderungsverluste und Verluste von Marktanteilen durch Ausfall von fest eingeplanten Großkunden können schnell von temporären zu permanenten Liquiditätsschwierigkeiten führen und die Mittel zur Auftragsvorfinanzierung nicht mehr gegeben sein. Die Rechtsform (GbR/GmbH/OHG/AG etc.) der an Insolvenz pleite gegangenen Unternehmen ist zu zirka 60 Prozent die "Gesellschaft mit beschränkter Haftung", was mit der relativ einfachen Gründung und Schließung und dem geringen Kapitaleinsatz zu tun hat.

Die Gefährdung der Unternehmen nach unterschiedlichen Umsatzgrößen ist auch aus einem Branchen-Rendite-Vergleich ersichtlich, der 1996 mit statistischen Methoden vorgenommen wurde. Die Umsatzrendite kleiner Unternehmen (bis 10 Mio. DM) lag im Durchschnitt bei +4 Prozent und bei großen Unternehmen (ab 70 Mio. DM) bei +2 Prozent. Im Umsatzbereich zwischen 10 und 70 Mio. DM lag die Umsatzrendite bei -3 Prozent als Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit.

Weitere Indikatoren wie z.B. Absatzmarkt, Branche, Unternehmensgröße, Rechtsform etc. können Symptome verstärken aber auch reduzieren, sind jedoch in ihren Auswirkungen nur sehr aufwendig nachzuweisen.

Aufgrund der vermehrten Insolvenzen werden von den Kreditinstituten, im Vorgriff auf Basel II, die Kreditrichtlinien den Gegebenheiten angepasst. Die Unternehmen werden sich künftig den neuen Regeln des Kapitalmarktes anpassen müssen. Durch die Verknüpfung mehrerer Kennzahlen, wie oben angeführt, wird zur Krisenfrüherkennung versucht herauszufinden, mit welcher Wahrscheinlichkeit Insolvenzgefahr besteht. Wer künftig frisches Geld braucht, muss glaubwürdig und transparent darlegen können, wie er nennenswerte Erträge generieren kann. Die zur Zeit in Betrieb befindlichen Steuersparmodelle in inhomogenen Unternehmensstrukturen mit ausgefeilter steuersparender Bilanzkosmetik werden sich künftig nur noch die leisten können, die den Finanzierungsbedarf intern abdecken.

Mark Twain fasste es in folgendem Satz zusammen: Eine Bank ist eine Einrichtung, von der Sie sich Geld leihen können - vorausgesetzt, Sie können nachweisen, dass Sie es nicht brauchen.

Sieger sein und bleiben
Die gesamte Evolution benutzt Selektionsmerkmale, um bestimmte Eigenschaften zu fördern und hat damit die Konzentration auf Überlebensmerkmale gerichtet. Die Übertragung dieser Merkmale auf die Wirtschaft wird diejenigen bevorzugen, die gleichfalls stärker, intelligenter, zeitiger und auch listiger (Strategeme) ihre Wettbewerbsstärken (Strategie) gegenüber den Konkurrenten ins Feld führen können. Diese Wettbewerbsstärken sind nicht nur die physischen Voraussetzungen sondern vielmehr die psychologischen Voraussetzungen. Da auch dem Wettbewerber unterstellt werden muss, dass er strategisch denkt, müssen alle "Züge" mit ihren Varianten (wenn - dann) durchdacht und eine "Schlachtordnung" (Strategie) gefunden werden. Da wir es mit einer anderen Form von "Krieg" zu tun haben, müssen die "Waffen" auch andere sein. Das Ziel ist immer dasselbe: Sieger sein und bleiben!
 

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Autor: Horst Arnold (2003)
Geschäftsführender Partner der
Arnold & Dr. von Jacobi
Unternehmensberatung GbR
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Fax: 08445/929965