Die Situation der Branche Fenster und Türen 2005

Mark Twain hatte zum Thema "Vorhersage" seine eigene Meinung, er formulierte es so: "Vorhersagen sind besonders riskant, wenn sie sich auf die Zukunft beziehen". Wie recht er doch hat.

Inhaltsübersicht des Beitrages:
Die Betriebe der Branche
Fenster- und Türenmarkt in Deutschland
Mengen- und Preisverfall 1995 bis 2005
Altbau- (Renovierung) und Neubauanteil in Deutschland
Wohneinheiten Renovierungsbedarf in Perioden
Beschäftigungsabbau in der Branche 1995 bis 2003
Personalbemessung direkt für Fenster und Außentüren von 1995 aus 2002
Insolvenzen (1997 - 2004)
Die Abhängigkeit der Branche von der Bauwirtschaft
Auswirkungen und Konsequenzen
Abwehrmaßnahmen oder Strategien für die Zukunftssicherung


Bisher wurden die Branchendaten (und nicht nur diese) wahrscheinlich aus dem Kaffesatz heraus gelesen, denn die Daten hatten die Qualität der Wettervorhersage im Winter für den Sommer. Um die Branchendaten für eine einigermaßen verlässliche Aussage zu generieren, sollte das Datenmengengerüst auch auf verlässlichen Daten basieren, wie z.B. auf den Zeitreihen von DESTATIS. Aus diesen Vergangenheitswerten ist über die Trendberechnung eine Abschätzung des augenblicklichen und zukünftigen Verhaltens zu entnehmen. Im dargestellten Chart ist der Rückgang im Fenstermarkt, gemessen in FE, im prozentualen Verhältnis zur Anzahl der Wohnungsfertigstellungen aufgeführt. Hier ist eindeutig zu entnehmen, dass eine Korrelation zwischen diesen Parametern besteht. Weitere Parameter aus diversen Statistiken können gleichfalls auf Korrelation untersucht werden und in einen mathematischen Ansatz gebracht werden. Aus dem Ansatz der multiplen, nichtlinearen Regression mit quantitativen und qualitativen Einflussgrößen wird die Regressionsformel erstellt. Um nur die Einflussgrößen mit wesentlichem Einfluss in der Formel abzubilden, werden verschiedene Tests gefahren und die Anzahl der Einflussgrößen sukzessive soweit reduziert, bis ein angemessenes Bestimmtheitsmaß B bei ausreichender Genauigkeit epsilon erreicht ist.
Die Betriebe der Branche





Bild 1: Betriebe der Branche

Umsatzklasse
Mio. € (F+T)
Orientierung
Beschäftigte
(Mittelstand)
Mittelstand
Branche F+T
Anzahl
Prozent
Anzahl
Prozent
A > 25
industriell strukturiert
> 250
7.238
1,8
50
0,6
B > 10 = 25
Mischbereich
< 50 - < 250
37.000
9,2
150
1,7
C < 10
handwerklich strukturiert
< 50
402.128
89,1
8425
97,7

Die Branche, typischer Teil der Struktur Produzierendes Gewerbe des Mittelstands, ist zu fast 90% handwerklich strukturiert. Die Anzahl der Betriebe in der Branche F+T, gegliedert nach Umsätzen, unterstreicht diese Struktur.
 
Fenster- und Türenmarkt in Deutschland





Bild 2: Fenstermarkt nach Rahmenmaterialien 1995 bis 2005+ (geschätzt)
Quelle: Destatis-Zeitreihen, VFF, Datenbankrecherche





Bild 3: Außentürenmarkt nach Rahmenmaterialien 1995 bis 2005
Quelle: Destatis-Zeitreihen, Datenbankrecherche, eigene Quellen

Unter Berücksichtigung aller zur Verfügung stehender Parameter wird sich die Stückzahl bis Ende 2005 auf 834.000 reduziert haben. Das entspricht in sieben Jahren einem Rückgang von minus 47%.


Mengen- und Preisverfall 1995 bis 2005


Bild 6: Mengen- und Preisverfall 1995 bis 2005

Die Lage ist geprägt durch einen ungebremsten Mengenverfall, der aufgrund der unbefriedigenden Insolvenzgesetzgebung zu keiner Marktbereinigung und damit zum Abbau der Überkapazitäten führt. Aus dieser Situation geht mit dem Mengenverfall ein ruinöser Preisverfall einher. Die verlangte Qualität soll erstklassig sein, jedoch zu Preisen wie Ramschware. Diese Diskrepanz wird z. T. mit Quersubventionen ausgeglichen, aber nicht dauerhaft durchgehalten.

Altbau- (Renovierung) und Neubauanteil in Deutschland


Bild 7: Fenstermarkt nach Marktsegmenten
Quelle: Destatis-Zeitreihen; VFF; Datenbankrecherche

Eine weitere Verschiebung zeichnet sich in der Veränderung der Marktsegmente Neubau und Altbau ab. Der prozentuale Fensteranteil im Altbau mit 59% im Jahre 1997 verringert sich sukzessive auf 44% im Jahre 2003.




Bild 8: Außentürenmarkt nach Marktsegmenten
Quelle: Destatis-Zeitreihen; VFF; Datenbankrecherche

Im Gegensatz zum Fenstermarkt ist die Veränderung der Marktsegmente im Türenmarkt, abgesehen von der Verringerung des Gesamtabsatzes, prozentual stabil geblieben mit tendenzieller Verringerung des Altbauanteils aufgrund der steuerlichen und einkommensrelevanten Einflüsse in 2002 und 2003.


Wohneinheiten Renovierungsbedarf in Perioden



Bild 9: Wohneinheiten in Tausend, Renovierungsbedarf in Perioden zur Bestimmung der renovierungsbedürftigen Wohneinheiten
Quelle: Destatis

Eine Menge von Informationen aus dem Statistischen Bundesamt, den Statistischen Ämtern der Länder bis hinunter auf Kreisebene, des ifo-Instituts, privater und öffentlicher Einrichtungen sind eine ausgezeichnete Datenquelle für Vergangenheitsdaten, die entsprechend mit mathematischen und statistischen Methoden bearbeitet, eine kriterienorientierte Prognose mit relativ geringer Streuung ermöglichen.


Beschäftigungsabbau in der Branche 1995 bis 2003

Das Volumen in 1995 von zirka 26 Millionen Fenstereinheiten in Fenster und Außentüren (FE nach Definition VFF) ist bis einschließlich 2002 auf 14,7 Mio. FE gesunken, demzufolge ist der Beschäftigungsabbau, bedingt durch Rationalisierungsvorhaben von zirka 3% pro Jahr, nicht nur um 46% sondern um mindestens 53% reduziert worden.

Das entspricht, bei Berücksichtigung der unterschiedlichen Personalbemessung aufgrund der Gewichtung, bei Holz, Kunststoff und Alu:

Rahmen-
Material
1995
Fenster
Mio. FE
Türen
Tsd. Stck.
Fenster
Std./FE/Sa.
Türen
Std./Stck.
GMK-
Faktor
Jahres-Arb.-
Std./Pers.
Sa. Std./
Anzahl Pers.
1995
%
Holz
7,4
687
(1)
7.400.000
(8)
5.496.000
1,65
1.650
(21.278.400)
12.896
KST
12,3
130
(0,5)
6.150.000
(4)
520.000
1,65
1.650
(11.005.500)
6.670
Alu/
H.-Alu etc.
5,9
676
(1,5)
8.850.000
(12)
8.112.000
1,65
1.650
(27.987.3000)
16.962
Summen
25,6
1.493
22.400.000
14.128.000
1,65
1.650
36.528
100%
 
Rahmen-
Material
2003
Fenster
Mio. FE
Türen
Tsd. Stck.
Fenster
Std./FE/Sa.
Türen
Std./Stck.
GMK-
Faktor
Jahres-Arb.-
Std./Pers.
Sa. Std./
Anzahl Pers.
2002
%
Holz
3,0
419
(0,8)
2.400.000
(7,4)
3.100.600
1,65
1.650
(9.075.990)
5.501
KST
7,4
115
(0,4)
2.960.000
(3,2)
368.000
1,65
1.650
(5.491.200)
3.328
Alu/
H.-Alu etc.
3,2
484
(1,2)
3.840.000
(9,6)
4.646.400
1,65
1.650
(14.002.560)
8.486
Summen
13,6
1.018
9.200.000
8.115.000
1,65
1.650
17.315
- 52,6%


Personalbemessung direkt für Fenster und Außentüren von 1995 aus 2002






Insolvenzen
Die Statistik des Statistischen Bundesamtes und auch der Creditreform gibt keine Aussage über die Branche der Fenster- und Türenhersteller. Man spricht vom Verarbeitenden und Produzierenden Gewerbe. Eine weitere Selektierung ist auch nicht mit dem Zugang zu den Zeitreihen gegeben.

 
 
Im Baugewerbe ist 2004 die Anzahl der Insolvenzen leicht gesunken (- 1,8%). Die relative Insolvenzbetroffenheit ist jedoch nach wie vor sehr hoch, sie liegt bei 2,5%, dem gegenüber liegt sie als Gesamtquote aller Branchen bei 1,35%.

Die Mehrzahl der Insolvenzen wird auf Managementfehler zurückgeführt. 71% gehen auf diese Ursache zurück.

Bild 10: Unternehmens-Insolvenzen gesamt 1997 bis 2004
Quelle: Creditreform

Also muss eine logische Brücke zu einer klar definierten Aussage gefunden werden, um aus dieser Symbiose dann auf die Branche F+T schließen zu können. Dazu ist die Baubranche eine adäquate Vergleichsgröße.

Nach Wirtschaftsbereichen ist der Bau mit 28,2% an den Insolvenzen beteiligt, obwohl die Anzahl der Unternehmen umgekehrt proportional zur Anzahl der Insolvenzen steht. In der Insolvenz-Anfälligkeit ist ersichtlich, dass der Bau doppelt so hoch wie der Durchschnitt aller Wirtschaftsbereiche in der Insolvenz je 10.000 Unternehmen abschneidet.
 


Bild 11: Insolvenzen je 10.000 Unternehmen
Quelle: Creditreform
Eine interessante statistische Größe ist die Baufertigstellung im Hochbau bei Wohnbau und Nichtwohnbau. Dort spiegelt sich der Rückgang in den Fenstereinheiten. Wir wissen andererseits auch den Anteil von Neubau zu Renovierungen, so dass hier eine qualifizierte Aussage gemacht werden kann.
Eine markante Einflussgröße der Insolvenzanfälligkeit liegt in der geringen Eigenkapitalausstattung der Bau- und der baunahen Betriebe.
Das gilt u.a. auch für die Betriebe der Fenster- und Türenbranche.


Die Abhängigkeit der Branche von der Bauwirtschaft



Bild 12: Wohnbauten Fertigstellungen bis 2003


Bild 13: Wohnungs-Fertigstellungen bis 2003
Quelle: Destatis-Zeitreihen



Bild 14: Marktsegmente Altbau/Neubau Fenster


Bild 15: Marktsegmente Altbau/Neubau Außentüren


Auswirkungen und Konsequenzen
Die Auswirkungen der Insolvenzen sind Konkurse, Löschungen oder Aufkäufe. Eine beliebte Variante ist die Entschuldung zu Lasten der Gläubiger und die Fortführung durch den Insolvenzverwalter oder den beauftragten GF unter einem neuen Namen mit neuen Lieferanten, so dass die Kapazitäten nicht vom Markt verschwinden, sondern Teile davon den Markt mit Dumpingpreisen "versauen".

Eine Aufstellung aus der Postleitzahl-Region 8 verdeutlicht die "Ausdünnung".


Bild 16: Firmen in der Postleitzahl-Region 8 von1995 bis 2002
Quelle: eigene Recherchen

Eine Auflistung weiterer Firmenzusammenbrüche der Kategorie > 10 Mio. € Umsatz, spontan zusammengetragen, soll das Ausmaß der Katastrophe andeuten. (Einige Firmen sind nach der Insolvenz unter gleichem Namen wieder erstanden, was bei der aktuellen Gesetzgebung nicht verwunderlich ist).


Die PolitikUnverständliche Steuerpolitik und Abgabenordnung. Planwirtschaftliche Reglementierung. Macht der Interessenverbände. Parteienwirtschaft. Vertrauenskrise. Perspektivlosigkeit. Verwaltung als Selbstzweck usw.
Der GeldmarktBankenkrise, Börsencrash, Restriktive Kreditpolitik (Basel II), Eigenkapitalschwäche, Internationale Verflechtung usw.
Die Kaufkraft Hohe Steuern, hohe Abgaben, hohe Arbeitslosigkeit, hohe Spekulationsverluste. Angst usw.
Die BausubstanzHohe Wohnungsleerstände, hohe Neubaubestände, hoher Renovierungsanteil, den keiner zahlen will und kann. Hoher Pleitenanteil, zweifelhafte Finanzierungsmethoden usw.
Das Preis-Leistungsverhältnis Ein Fenster und/oder eine Tür dient zum Verschließen von Bauöffnungen. Die Komplexität eines Fensters ist gering und damit auch das Verhältnis des Käufers zur Wertigkeit.
Die InnovationDa Innovationen dem Käufer eines Fensters nur schwer zu vermitteln sind, ist gleichfalls eine höhere Wertigkeit schwierig zu vermitteln.
Die fehlende strategische AusrichtungDie Tendenz ist: Wir wursteln uns durch.
Die IneffizienzDie verschiedensten Möglichkeiten Wert zu vernichten, sind im betrieblichen Alltag immens.
Die QualifikationIm Prinzip ist eine handwerkliche Ausbildung für die bestehende Betriebsform ausreichend. Höhere Qualifikation bedeutet nur höhere Kosten.
Die LiquiditätsproblemeAus kleinsten Anfängen heraus wurde mit Fremdkapital in die Technik investiert und die Bildung von Eigenkapital stark vernachlässigt. Der ruinöse Preiswettbewerb ließ die Bildung von Eigenkapital nicht zu. Hohe Bankverschuldung und Lieferantenkredite prägen die Geldpolitik der Betriebe.

Tabelle 1: Die kritische Masse der Momente

Es gibt nicht das eine auslösende Moment, sondern eine kritische Masse von Momenten, die unter bestimmten wirtschaftspolitischen Bedingungen zu einer Kettenreaktion kommen und Beteiligten und Unbeteiligten gleichsam um die Ohren fliegen.

Nur wenn es gelingt, die externen Rahmenbedingungen und die internen Verwerfungen in eine Zukunftsperspektive umzumünzen und auch umzusetzen, wird ein Teil der Branche noch eine Zukunft haben. Dieses Jahr wird darüber entscheiden, wer noch vom kleineren Kuchen abbeißen darf.



Bild 17: Symptome einer Krise und Kriterien zur Erkennung der Insolvenzwahrscheinlichkeit

KriteriumBeschreibung
UmsatzsteigerungUmsatzsteigerung ist immer positiv für das Unternehmen, wenn die Umsatzrendite dadurch nicht fällt.
UmsatzrenditeDie Höhe der Rendite und ihre Veränderung zum Vorjahr sind Kennzeichen für ein gutes Management.
Eigenkapitalquote Die EKQ ist in Verbindung mit anderen Einflussgrößen wie Rückstellungen, hohes bilanzielles Sachanlagevermögen, hohes bilanzielles Umlaufvermögen etc. ein Kriterium zur Liquiditätssicherung, zur Besicherung von Krediten und damit zur langfristigen Unternehmensfinanzierung.
ZinskostenquoteHohe Zinskosten lassen auf eine hohe Verschuldung, auf eine ungünstige Fristenstellung und auf schlechte
Zinskonditionen schließen; bei rückläufigen Erträgen und Umsätzen der direkte Weg zur Insolvenz.
AbschreibungsquoteInvestitionen dienen der Zukunftssicherung, hohe Abschreibungsquote weist darauf hin und mindert die Gewinnsteuer (Jahresüberschuss).
BeteiligungsquoteDie Eigenkapitalbildung über Beteiligungsfinanzierung ist vor allem bei gefährdeten Firmen überwiegend gegeben, da der Zugang zum Kreditmarkt versperrt ist.


Abwehrmaßnahmen oder Strategien für die Zukunftssicherung
Wir haben es mit einer Branche zu tun, die zu über 90% handwerklich strukturiert ist. Nur 0,6% der Branchenbetriebe sind industriell orientiert, das umfasst max. 50 Betriebe. Dazwischen gibt es Mischstrukturen. Je komplexer die Produkte sind, desto mehr Planungsaufwand ist erforderlich und umso mehr "industrieller" muss gefertigt werden.

Wenn es stimmt, dass die Strategie von heute das Erfolgsrezept der Sieger von morgen ist, sollte die Ökonomie der Kräfte unser Handeln in der richtigen Reihenfolge bestimmen.

Als erstes ist die Frage zu stellen: Wo stehen wir? Die Grundlagen der strategischen und finanziellen Bewertung des Ist-Zustandes geben uns, in Relation zum Branchenumfeld, die notwendigen Hinweise auf das Ziel.

Als nächste Frage stellt sich: Wohin wollen wir? Unter Abwägung von Chancen und Risiken wird die Unternehmensstrategie entwickelt und daraus der Businessplan erstellt. Der Einstieg ist das Unternehmens-Audit oder auch Unternehmens-Einschau genannt.

Der chinesische Militär Sun Tsu sah seine Strategie darin:


Wenn du den Feind kennst und dich selbst, musst du auch hundert Schlachten nicht fürchten.


Wenn du dich selbst kennst, aber deinen Feind nicht, wirst du für jeden Sieg auch eine Niederlage einstecken.


Wenn du weder deinen Feind kennst noch dich selbst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.
(Quelle: Sun Tsu/Die Kunst der richtigen Strategie/2001

Die Konsequenz daraus heißt, besinne dich auf deine Stärken und arbeite an deinen Schwächen solange, bis du soweit bist, um deinen Konkurrenten nicht nur einzuholen sondern zu überholen. Um im Wettbewerb zu siegen, heißt das: Analysiere dein Unternehmen und den Wettbewerb, arbeite an deinen Schwächen bis du in allen Positionen besser aufgestellt bist als der Wettbewerb und erst dann schlage los. Unternehmensstrategie muss zum Ziel haben, ein sich ständig veränderndes, dynamisches Gleichgewicht einer Vielzahl von Wettbewerbern zu beherrschen.

Quelle: Dipl.-Ing. Horst Arnold
Geschäftsführender Partner der
Arnold & Dr. von Jacobi
Unternehmensberatung GbR
Tel.: 0 84 45 / 92 99 60
Fax: 0 84 45 / 92 99 65
www.ub-arnold.de
info@ub-arnold.de