Sommerlüftung im Passivhaus (01/07/2003)

 
Die 22. Sitzung des Arbeitskreises kostengünstige Passivhäuser setzte sich mit der sommerlichen Lüftung auseinander. Über 50 Experten aus Deutschland, Österreich, Polen, der Schweiz, den Niederlanden und Italien tauschten ihre Erfahrungen mit dem Innenklima in energiesparenden Passivhäusern aus. Das Ergebnis ist für Nichtfachleute verblüffend: Gerade diese hoch wärmegedämmten Häuser lassen sich im Sommer sehr gut kühl halten.

Der Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser wird vom Hessischen Umweltministerium, der E.ON Energie AG (München) und der Wohnungsbaugesellschaft LUWOGE (Ludwigshafen) finanziert. Das Passivhaus Institut (PHI) führt die Forschungs- und Entwicklungsprojekte durch, deren Ergebnisse in den Sitzungen des Arbeitskreises präsentiert werden.

Am 4. Dezember ging es in Darmstadt um die richtige Strategie für das sommerliche Lüften. Im Gegensatz zu weit verbreiteten Ansichten haben bisher realisierte Passivhäuser in allen Räumen öffenbare Fenster - sie können daher durch natürliche Lüftung kühl gehalten werden, wie Wolfgang Feist (PHI) in seinem Einführungsreferat zeigte. Nur in der Kernzeit des Winters, von Anfang Dezember bis Mitte März, wird man die Fenster eher geschlossen lassen. Dann ist die Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung die effizienteste Methode, die Kälte aus dem Haus zu halten.

Ausführliche Messungen und Bewohnerbefragungen stellte Søren Peper (PHI) aus der Passivhaussiedlung Hannover-Kronsberg vor. Je nach sommerlichem Lüftungsverhalten gibt es hier wärmere und kühlere Wohnungen - im Mittel werden nur wenige Stunden über 26° erreicht und in Hitzeperioden ist die Luft in den Wohnungen allemal kühler als die Außenluft. Auch die Passivhaus-Geschosswohnungsbauten in Kassel-Marbachshöhe weisen ein vorzügliches sommerliches Innenklima auf. Ein massiver Kern und die dicke Dämmung bewirken ein thermisch träges Verhalten. Hier ändern sich die Innentemperaturen im Verlauf einer Hitzeperiode im Innenraum kaum: Die Hitze kommt praktisch im Raum gar nicht an. Ein besonders intelligentes Sommerlüftungskonzept gibt es im ersten Passivhaus Verwaltungsgebäude der Firma Wagner&Co in Cölbe. Oberlichter in allen Büroräumen öffnen sich bei Bedarf nachts automatisch, damit ist ein geschossübergreifender Durchzug gewährleistet. Die Ergebnisse sind überzeugend: Auch ohne Klimaanlage wurden Temperaturen über 26°C nie, solche über 25°C nur in 0,6% der Jahresstunden erreicht.

Welche Strategie ist für effektive Sommerlüftung am besten geeignet? Jürgen Schnieders (PHI) hat hierzu systematische Simulationsrechnungen für ein typisches Passiv-Reihenhaus durchgeführt. Entscheidend sind ausreichende freie Lüftungsquerschnitte in der Gebäudehülle, wobei bei normaler Architektur gekippte Fenster in allen Räumen hierfür durchaus ausreichen. Besonders wirksam ist ein geschossübergreifender Lüftungspfad, weil sich dadurch der Auftrieb sehr gut nutzen lässt. Aber auch durch Querlüftung mit Windantrieb durch ein Geschoss sind gute Ergebnisse erzielbar. Im Rahmen der Untersuchungen des Arbeitskreises ist ein Berechnungstool mit dem Namen "SommLuft" entwickelt worden, das aus wenigen Eingabewerten zu den Fenstern und ihrer Lage einen mittleren sommerlichen Luftwechsel unter typischen deutschen Randbedingungen in einer Hitzeperiode ermittelt. Wie schon andere vom Arbeitskreis entwickelte Hilfsmittel wird auch "SommLuft" vom Passivhaus Institut kostenlos verfügbar gemacht.

Die Luftmengen bei Fensterlüftung schwanken ziemlich stark mit Wind und Wetter. Dr. Anton Maas (Universität Kassel) hat die Abhängigkeit von der Lage der Fenster untereinander, dem Windanfall und der Temperaturdifferenz in einem Experimentalgebäude mit Spurengas-Messungen ermittelt und auf der Sitzung vorgestellt. Jens Knissel (Institut Wohnen und Umwelt) zeigte, wie sich geometrische Faktoren, wie die Ausbildung des Rahmenfalzes und der Überstand der Laibung, auf den effektiven Einströmquerschnitt auswirken. Gerade bei Passivhausfenstern sind wegen der tiefen Rahmen die Luftvolumenströme durchschnittlich viel geringer, als zunächst angenommen. Das erklärt auch eine weitere Erfahrung aus den messtechnisch begleiteten Passivhausprojekten: Trotz ab und zu auch im Winter gekippten Fenstern ist eine Erhöhung des Heizwärmeverbrauches durch Fensteröffnen nicht oder nur geringfügig feststellbar.

Wolfgang Feist (PHI) fasste die wesentlichen Erkenntnisse zum Abschluss der Sitzung zusammen: Verstärkte natürliche sommerliche Lüftung hat sich in Passivhäusern als entscheidende und hochwirksame Strategie für ein angenehmes Innenraumklima bewährt. In Gebäuden mit nicht zu hohem Verglasungsanteil oder mit wirksamer Verschattung erweisen sich dabei geeignet dimensionierte und angeordnete kippbare Fenster in Mitteleuropa als ausreichend. Aber auch bei höheren inneren Lasten und solaren Gewinnen kann verstärkte Lüftung den Sommerkomfort sicherstellen, ohne dass eine aktive Klimatisierung (außer evtl. für empfindliche Elektronik) erforderlich wird. Wie die freien Querschnitte dimensioniert und die Öffnungen angeordnet werden sollten, darüber kann in jedem Fall eine zonale Simulation der Luftvolumenströme Auskunft geben. In Standardfällen hilft bereits das vom PHI für den Arbeitskreis kostengünstige Passivhäuser zur Verfügung gestellte Berechnungstool "SommLuft". Dieses kann kostenlos von der Homepage des PHI (www.passiv.de) heruntergeladen werden.
 
Abbildung:
In der Passiv-Reihenhauszeile Hannover Kronsberg herrscht auch in Hitzeperioden ein behagliches Raumklima. Durch gezieltes Fensterlüften können Passivhäuser im Sommer angenehm kühl gehalten werden (Foto und Grafik: PHI).
 
 
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