Statement von Dr. Gabriele Klinge, Hauptgeschäftsführerin des BV R+S e. V.: Innovationen als Ausweg aus der Krise (09/23/2002)

 
Mit hoher Qualität lässt sich punkten

"Die Pressekonferenz am 18.09.02 zur R+T 2003 stand in einem alles andere als alltäglichen Umfeld. Die Jahrhundertflut in Deutschland, die auch unsere Betriebe im Elbe-Umland in zum Teil pure Existenznot gebracht hat, kann ebenso wenig unreflektiert bleiben wie die bevorstehende Wahl zum Deutschen Bundestag mit ihren weitreichenden Wirkungen in die Zukunft gerade auch für die kleinen und mittleren Betriebe des Rollladen- und Jalousiebauer-Handwerks.

Sie erlauben mir sicher dazu einige Anmerkungen:

Zur Jahrhundertflut:
Der Bundesverband Rolladen + Sonnenschutz hat sofort Hilfsmaßnahmen für die vom Hochwasser betroffenen Betriebe des R+J-Handwerks eingeleitet und koordiniert. Eine Welle der Solidarität ging durch die gesamte Rollladen- und Jalousiebauer-Branche, eine kollegiale Hilfsbereitschaft trat zutage, die mich heute hoffen lässt, dass die Betroffenen diese Krise meistern werden. Gerne nehme ich die Gelegenheit wahr, im Namen auch dieser Betriebe all jenen zu danken, die tatkräftige materielle oder finanzielle Hilfe geleistet haben oder noch leisten.

Zur Bundestagswahl:
Wie immer auch die Bürger am Sonntag entscheiden werden, fest steht: Nach dieser Wahl muss der Mittelstand - der seine Verkörperung gerade auch in den Betrieben des Rollladen- und Jalousiebauer-Handwerks findet - nachhaltig entlastet werden. Die Betriebsinhaber schaffen in Deutschland Arbeit, sie investieren hier, sie zahlen hier Steuern. Und deshalb brauchen sie politische Rahmenbedingungen, die ihnen den notwendigen Freiraum für engagiertes unternehmerisches Handeln eröffnen und damit Wachstum, Beschäftigung und Ausbildung fördern.

Sie brauchen eine gerechte Steuerreform, die endlich berücksichtigt, dass 4 von 5 Unternehmen in Deutschland als einkommenssteuerpflichtige Personengesellschaften oder Einzelunternehmen geführt werden.

Sie brauchen die deutliche Senkung der Lohnzusatzkosten durch Reformierung der sozialen Sicherungssysteme, sie brauchen die “Entfesselung” des Arbeitsmarktes und den Abbau der überbordenden Bürokratie.

Sie brauchen eine Mittelstandspolitik, die sich als politisches Gesamtkonzept versteht, das sich in allen Bereichen der Wirtschafts-, Finanz-, Sozial-, Arbeitsmarkt- und Bildungspolitik wiederfindet.

Ungünstige Rahmenbedingungen

Die jüngsten statistischen Erhebungen unseres Bundesverbandes Rolladen + Sonnenschutz haben bestätigt, dass die ungünstigen wirtschaftpolitischen Rahmenbedingungen und die anhaltend negative Entwicklung im Bausektor durchgreifende Verbesserungen der Situation des Rollladen- und Jalousiebauer-Handwerks spürbar abbremsen. Man ist in unseren Fachbetrieben durchaus bereit, mehr zu tun, tritt jedoch gewissermaßen auf der Stelle.

Gerade die beschäftigungsintensiven mittelständischen Handwerksbetriebe fühlen sich durch das politische und wirtschaftliche Umfeld besonders benachteiligt. Den typischen Rollladen- und Jalousiebaubetrieb mit seinen etwas über 10 Mitarbeitern trifft die Rezession besonders hart. Fast alle Indikatoren für die konjunkturelle Entwicklung des R+J-Handwerks im 2. Quartal 2002 liegen deutlich unter den Vergleichswerten der Vorjahre. Die Belastungen durch Steuern, Abgaben und die Bürokratiekosten können im Abschwung nicht über die Preise weitergegeben werden. Dabei ist festzuhalten, dass die konjunkturelle Talfahrt sowohl die Handwerksbetriebe in den neuen als auch in den alten Bundesländern trifft.

Ein Viertel der Betriebe erwartet jedoch für den weiteren Verlauf des Jahres 2002 Auftragssteigerungen, ein Fünftel bessere Umsatzwerte, 34 Prozent wollen investieren. Trotzdem dürfte es den Betrieben in der 2. Jahreshälfte 2002 sehr schwer fallen, die Umsatz- und Geschäftsverluste des 1. Halbjahres auszugleichen.

Tatsächlich hat sich das Rollladen- und Jalousiebauer-Handwerk in diesen schwierigen Konjunkturzeiten jedoch als erstaunlich robust erwiesen: Während andere Handwerksbranchen im Jahre 2001 von nachhaltigen Umsatzrückgängen und Beschäftigungseinbrüchen geplagt wurden, konnte das Rollladen- und Jalousiebauer-Handwerk zulegen: Der Durchschnittsumsatz pro Betrieb erhöhte sich von 2,18 Millionen DM im Jahre 2000 um 1,8 Prozent auf 2,22 Millionen DM im Jahre 2001, der Gesamtumsatz der Branche von 3,46 Milliarden DM um 4,3 Prozent auf 3,61 Milliarden DM (ein Euro entspricht ungefähr 2 DM). Besonders bemerkenswert ist, dass auch bei den Beschäftigtenzahlen zugelegt werden konnte: Die durchschnittliche Beschäftigtenzahl wuchs um 3,6 Prozent von 10,5 (in 2000) auf 10,88 Beschäftigte im Jahre 2001.

Es darf allerdings nicht verschwiegen werden, dass die Betriebe in den neuen Bundesländern weitaus größere Schwierigkeiten haben, sich vor dem Hintergrund deutlich geringerer Kaufkraft im Osten, einem hohen Verschuldungsgrad und unzureichender finanzieller Rücklagen zu behaupten. Das völlige Fehlen einer konstruktiven Mittelstandspolitik bedroht die Existenz vieler R+J-Betriebe im Osten - und zunehmend auch im Westen!

Wenn die Position des Rollladen- und Jalousiebauer-Handwerks in 2001 gehalten, ja sogar leicht ausgebaut werden konnte, so ist das vor allem auf die Tatsache zurückzuführen, dass sich unsere Betriebe heute zu 63 Prozent auf Nachrüstung und Modernisierung im Altbaubereich konzentrieren, zu weiteren 15 Prozent auf die Wartung der Anlagen. Nur 22 Pro-zent entfallen auf den Neubau. Folglich leiden in unserer Branche – unabhängig von den speziellen Problemen im Osten – insbesondere diejenigen Betriebe unter der konjunkturellen Entwicklung, die ihren Schwerpunkt im Neubaubereich – etwa dem Objektgeschäft – und hier speziell im Fenstermarkt haben. Allein der Fenstermarkt ist binnen weniger Jahre um über 40 Prozent zurückgegangen. Das Marktvolumen betrug hier einmal 25 Millionen Einheiten; in diesem Jahr rechnet man mit nur noch ca. 14,5 Millionen Einheiten. Der hohe Anteil der Arbeiten im Altbau-, Modernisierungs- und Renovierungsbereich hat die R+J-Betriebe vor dem Debakel bewahrt, von dem die gesamte sonstige Bauwirtschaft und die damit zusammenhängenden Ausbaugewerke getroffen worden ist.

Genau daraus resultieren auch unsere Hoffnungen auf mittel- und langfristig bessere Zeiten. Im Ausbausektor glaubt man, endlich “Licht am Ende des Tunnels” zu sehen. Und im Nachrüstungs- und Modernisie-rungsbereich eröffnet sich ein weites Betätigungsfeld. Insbesondere für Privathaushalte rechnen wir mit einem weiter wachsenden Bedarf an Produkten und Leistungen des Rollladen- und Jalousiebauer-Handwerks. Wir denken aber auch an die Vielzahl der Schulen und anderen öffentlichen Gebäude mit heute noch völlig unzureichendem Sonnen- und Wärmeschutz. Großer Nachholbedarf besteht auch aufgrund der hohen berufsgenossenschaftlichen Forderungen an die Ausgestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen.

Rollladen- und Jalousiebauer sind heute nicht mehr nur Handwerker, die Rollläden und Jalousien konfektionieren. Sie sind vielmehr vielseitige Fachberater für Energieeinsparung, Einbruchschutz, Sonnenschutz, Gebäudeautomatisierung und architektonische Gestaltungsfragen. Auch die Aussteller der R+T 2003 werden sich an diesen höheren Ansprüchen messen lassen müssen.

Mit den höheren Anforderungen an den baulichen Wärmeschutz durch Inkrafttreten der Energieeinsparverordnung am 1. Februar 2002 hat der Wärmeschutz von Fenstern noch mehr an Gewicht gewonnen. Die Bedeutung von Rollläden und Jalousien für den winterlichen und sommerlichen Wärmeschutz steigt weiter an:

- Wie das Zentrum für Angewandte Energieforschung, Würzburg, kürzlich bestätigte, tragen Rollläden - je nach Schließzustand - erheblich, nämlich zwischen 18 und 25 Prozent, zur Minimierung von Wärmeverlusten an Fensteröffnungen bei; und das gilt gleichermaßen für Vorbau- und Einbaurollläden.

Rollläden, Markisen und Jalousien tragen ausgesprochen energie- und kostensparend dazu bei, die Anforderungen an die Sonneneintragswerte bzw. die Kühlleistung bei Gebäuden, deren Fensterflächenanteil 30 Prozent überschreitet, einzuhalten, wie es in der Energieeinsparverordnung vorgeschrieben ist.

Automatisierung liegt weiter im Trend

Wir gehen davon aus, dass der Motorisierungsgrad von Rollläden und Sonnenschutzanlagen in Deutschland auf ca. 30 - 40 Prozent ansteigen wird. Bei Verdunkelungsanlagen und Wintergartenbeschattungen wird der Motorisierungsgrad mindestens doppelt so hoch sein. Die elektrischen Antriebe mit elektronischen Endabschaltsystemen werden weiterentwickelt. Durch intelligente Software erfüllen elektrische Antriebe mit elektronischen Endabschaltungen immer mehr Zusatzfunktionen, wie z. B. Auflaufschutz beim Herunterfahren der Rollläden und Überlastsicherung beim Herauffahren der Rollläden. Bei den Markisen schaltet der elektronisch gesteuerte Motor z. B. beim Einfahren in den Kasten automatisch ab. Zusatzschalter werden nicht mehr benötigt. Dies erspart Kosten und Montageaufwand. Bei jalousierbaren Rollläden kann zukünftig die Jalousiefunktion ebenfalls über die elektronische Steuerung im Motor gesteuert werden, und es wird nicht – wie bisher – ein zusätzliches Aggregat dafür benötigt.

Die Hauptinnovationen werden in den nächsten Jahren in der Sicherungstechnik erfolgen. Hier wird der Funkbereich künftig eine zentrale Rolle spielen. Durch die Funktechnik wird der Komfort beim Bedienen der Rollläden und Sonnenschutzanlagen noch weiter gesteigert. Aber auch die Erstinstallation, insbesondere beim Nachrüsten von elektrischen Motoren in bestehende Rollladen- und Sonnenschutzanlagen, wird erheblich erleichtert, da der Installationsaufwand bei funkgesteuerten Anlagen deutlich geringer ist. Die Drahtverbindung zwischen Motor und Schalter entfällt.

Als weiterer Bereich wird die sogenannte Hausleittechnik (Bus-Technik) erheblich weiterentwickelt. Von der Heizung mit der Warmwasseraufbereitung über das elektrische Öffnen und Schließen von Fenstern und Rollläden bis hin zur Lichttechnik lässt sich künftig alles über zentrale Systeme steuern. Hierzu werden die Hersteller verschiedene Aktoren produzieren und anbieten. Es wird erforderlich sein, einheitliche Schritte zu vereinbaren und zu definieren, damit die unterschiedlichen Geräte miteinander kommunizieren können. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass die Hauptinnovationen in unserer Branche in den nächsten Jahren in der Steuerungstechnik zu erwarten sind. Wachstum in der Rollladen- und Jalousiebauer-Branche kann nur durch neue, innovative Produkte erzielt werden.

Von zunehmender Bedeutung ist auch der Einbruchschutz, für den unsere Betriebe heute schon ein besonders attraktives Angebot bereithalten. Der Bundesverband selbst hat auf allen diesen Feldern seine Informa-tionstätigkeit verstärkt und die Zusammenarbeit mit den kriminalpolizeilichen Beratungsstellen intensiviert.

Die R+T 2003 wird erneut unter Beweis stellen, dass wir - Handwerk wie Industrie - im Inland wie im Ausland zu Recht um die hohe Qualität unserer Produkte und Dienstleistungen beneidet werden.

Das ist nicht zuletzt der qualifizierten Ausbildung unseres Nachwuchses und der ständigen Weiterbildung unserer Gesellen und Meister zu verdanken. Wir unternehmen große Anstrengungen, den erreichten Standard nicht nur zu halten, sondern noch zu verbessern. Mit Erfolg: Dank einer umfassenden Aus- und Weiterbildungsoffensive werden wir voraussichtlich auch in diesem Jahr - im Gegensatz zu teilweise dramatischen Rückgängen in anderen Branchen - unsere Ausbildungskapazität von rund 500 Lehrlingen aufrecht erhalten können. Dass die Mädchen dabei ihren Mann zu stehen wissen, beweist erneut eine 1. Bundessiegerin im Leistungswettbewerb der Handwerksjugend.

Die Erfolge unserer Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen werden wir auf der R+T 2003 sichtbar machen. Wie schon in den Vorjahren werden junge Meisterinnen und Meister auf der Sonderschau der Meisterstraße das Beste aus den zurückliegenden drei Jahren präsentieren und einen überzeugenden Eindruck von handwerklichem Können und Innovations-freude vermitteln.

Besonders hinweisen darf ich außerdem schon heute



auf einen "Architekten-Stammtisch" mit vielen Anregungen für Planer und Architekten rund um Innovationen in unserem Handwerk


auf die Verleihung des Innovationspreises, mit dem nun schon zum fünften Mal auf der R+T beispielhafte Innovationen der Branche gegenüber der Fachwelt und Öffentlichkeit herausgestellt werden,


und vor allem auf einen "Tag der europäischen Verbände", der einen Markstein setzen soll für eine enge Zusammenarbeit der Rollladen- und Jalousiebauer in Europa. Zusagen liegen bereits aus Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Polen und der Schweiz vor.
 
Der Bundesverband Rolladen + Sonnenschutz und seine europäischen Partner treffen sich auf einem Gemeinschaftsstand, der auf über 200 Quadratmeter vergrößert worden ist. Ich sage heute schon: Herzlich willkommen!"