Fenstermarkt: Jetzt ist Intelligenz gefragt (02/04/2002)

 
Fenstermarkt: Jetzt ist Intelligenz gefragt

Der deutsche Fenstermarkt ist seit Mitte der neunziger Jahre rückläufig. Überkapazitäten und ein damit einhergehender Preisverfall charakterisieren den Markt. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen, und auch die Aussichten für 2002 geben keinen Anlass zum Optimismus. Dennoch gibt es neue Chancen für Hersteller von Kunststofffenstern. Unternehmensberater Kurt Buck und GKV-Geschäftsführer Ralf Olsen analysieren Trends und zeigen Potenziale auf.

Neben der konjunkturellen Situation auf dem Fenstermarkt haben die Hersteller und Zulieferer noch mit einem Werteverfall des Produktes zu kämpfen. Bauherren, Planer und vor allem die Modernisierer im Privatkundensegment bevorzugen bei ihren Investitionsentscheidungen mittlerweile andere Produktbereiche wie Kücheneinrichtung, Heizungstechnik oder Badezimmer-Wellness. Aus diesem Grund ist es nicht überraschend, wenn Marketing, Werbung und Vertrieb für Fenster mit allen Vorzügen und technischen Innovationen nicht oder nur teilweise den Kunden erreichen. Notwendige Investitionsentscheidungen für Fenster unterliegen meist dem Gebot der leeren Kasse. Billiglösungen sind dann gefragt, wenn das Geld für interessantere und intelligentere Produkte anderweitig ausgegeben wurde.

Wie kann die Spirale aus Desinteresse und Preisverfall gestoppt werden?

Kürzlich wurde über ein Forschungsprojekt berichtet, das aufhorchen lassen sollte. Ein intelligentes Haus wurde vorgestellt, welches seine Bewohner auf eine ungeahnte Ebene des Komforts heben soll. Nichts Neues sagen die ersten Kritiker ohne das Haus je gesehen zu haben. Denn: Wer hat schon ein Interesse an einem Haus mit einem "denkenden" Kühlschrank oder einer Heizung, die über eine außergewöhnliche technische Intelligenz verfügt? In unserer Telekomrechnung prüfen wir monatlich akribisch, ob die Familie nicht zuviel telefoniert und man selbst allzu lange im Internet gesurft hat; und auf die Heizkostenabrechnung muss man bis einige Monate nach Abschluss der Rechnungsperiode warten, bevor man vor der Gewissheit der Nachzahlung steht. Wäre es da nicht komfortabel, durch einfachen Tastendruck, gemütlich im Sessel vor dem Fernseher liegend, ständig seinen aktuellen Verbrauch abrufen zu können und seine Entscheidungen zur Kostensenkung zu programmieren? Geht nicht? Geht – im intelligenten Haus.

Produktinnovationen der letzten Jahre

Rufen wir uns dazu die Entwicklungen von Produktinnovationen der letzten Jahre noch einmal ins Gedächtnis:

1. Kammersysteme

Im Bereich der Kammersysteme besteht ein starkes Wetteifern der Profilhersteller: Wer hat die meisten Kammern im Fenster? Die Palette reicht von drei über vier bis hin zu fünf Kammern im Profil. Zuletzt wurden 6-Kammer-Systeme gepriesen. Eine Analogie zu der Zylinderanzahl im Auto kann hier nicht geleugnet werden. Aber der Kunde Wohneigentümer sieht die Innovation der Kammern nicht und leitet somit eine Wertsteigerung des Fensters daraus für sich nicht ab.

Fazit: Innovationen, die vom End-Kunden nicht gesehen und nicht entsprechend honoriert werden, rechnen sich unter Marketing-Gesichtspunkten nicht.

2. Das Sicherheitsfenster

Jeder Fensterbauer, ob im Materialbereich Holz, Aluminium oder Kunststoff, der etwas auf sich hielt , stellt die Sicherheit, die man mit dem Produkt Fenster einkauft, als eine Erneuerung (Innovation) seinen Händlerkunden vor. Doch diese nehmen den Staffelstab nicht fehlerfrei an. Das Thema Sicherheit schlägt fehl. Wer nur auf diese Karte gesetzt hat, kommt ins Schlingern.

Fazit: Hilfreich für den End-Kunden aber ohne Auswirkungen auf den Ertrag, da diese Fenster fast eins zu eins zum Standard angeboten werden.

3. Das Holz-Aluminium-Fenster

Die Holzfensterproduzenten waren gefordert, den rückläufigen Marktanteilstrend zu bremsen. Vor noch nicht vor vier Jahren hatten sich die Unternehmer aus der Fenster- und Fassadenbranche beim Aluminium-Institut in Österreich und in der Schweiz informiert, ob ein Markt in ähnlicher Größenordung in Deutschland auch vorhanden wäre. Erkenntnis der Unternehmer heute: Ein schmales Marktsegment, welches zur Ergänzung und Abrundung des Produktsortiments aufgenommen wird. Ein maßgebliches betriebswirtschaftliches Standbein ist die Innovation "Holz-Aluminium-Fenster" nicht.

Fazit: Solange das Bewusstsein in den Kundenzielgruppen Wohneigentümer, Architekten und Planer mittels perfekter Nutzen-Kommunikation nicht stattfindet, wird die Innovation Holz-Aluminium-Fenster keinen maßgeblichen Umsatzanteil erlangen. Das Holz-Aluminium-Fenster trägt allenfalls zur Abrundung der Angebotspalette bei.

4. Das Design-Fenster

In dem atomistischen Markt der Fensterbranche fangen große führende Fensterbauer aller Materialarten (Kunststoff, Aluminium, Holz) – oft auch vom jeweiligen Zulieferer unterstützt – an, dem Fenster runde und geschmeidige Formen zu verpassen. Entnommen aus der Automobil-Industrie wird das Fenster mit "runden" Ecken und formschönen Beschlägen zum Alleinstellungsmerkmal "herausgeputzt". Das Design des Fensters steht im Mittelpunkt der Vermarktung. Aber der Objektmarkt nimmt diese Innovationsform nicht im gewünschten Umfang an. Das heißt: Eine Auslastung der Kapazitäten kann damit nicht erreicht werden, der Endkunde Wohneigentümer fühlt sich auch dadurch nicht motiviert, seine alten Fenster in anmutende Design-Fenster auszutauschen.

Fazit: Auf Grund der Wertstellung des Fensters bei den Kunden bleibt diese Innovation hinter den Erwartungen zurück.

5. Das "emotionale Fenster"

Die Kommunikation wird in der Branche neu ausgerichtet. Begriffe wie Kämpfer, Olive oder Pilzzapfen werden durch neue Begriffe aus der emotionalen Sprachwelt erneuert. Teuere Präsentationsunterlagen und Produktbroschüren werden entwickelt, in denen die Fensterabbildungen nicht mehr nacheinander wie tote Gegenstände dargestellt werden. Dagegen sind jetzt die Produkte im nachahmungsfähigen menschlichen Lebensumfeld beschrieben und bebildert. Leider verfügen noch nicht alle Marktteilnehmer über diese neue Kommunikationsstrategie, so dass die Wirkung dieser neuen Kommunikationspolitik noch auf sich warten lässt.

Fazit: Die Innovation "emotionales Fenster" ist noch nicht abgeschlossen und man darf gespannt sein, wie weit sich die gewünschte Einstellung zum Produkt bei den Wohneigentümern und bei den Architekten realisieren lässt. Maßgeblich hängt der Erfolg auch von den Außendienstmitarbeitern und den Absatzmittlern in der Branche ab.

Und jetzt das intelligente Fenster?

Unabhängig von dem jeweiligen Vermarktungserfolg oder -misserfolg der jeweiligen Innovation wollen wir auf die vielen kleinen Veränderungen oder Erneuerungen am Fenster aus der Beschlags-, Glas- oder Dichtungsindustrie nicht näher eingehen, da sie Weiterentwicklungen am Produkt selbst sind.

Intelligente Produkte zu entwickeln und diese auf dem Markt und damit dem Kunden anzubieten, ist die große Chance, sich der oben beschriebenen Spirale zu entziehen. Mit neuen, innovativen und intelligenten Produkten können die Hersteller verlorenes Terrain zurückerobern, das man an Hersteller von Küchentechnik, Heizungs- und Badausstattung verloren hat. Darüber hinaus können mit intelligenten Produkten Wünsche bei Kunden geweckt werden, die bisher gar nicht an eine Modernisierung gedacht haben. Und genau diese Kunden werden benötigt, wenn es am Markt wieder aufwärts gehen soll. Jetzt ist die High-Tech-Innovation gefragt.

Empfehlung an die Profilhersteller

Daher lautet die Empfehlung kurz und knapp an die Unternehmer und Vertriebsstrategen der Profilhersteller: · Verlassen Sie die alten tradierten Denkstrukturen und gehen Sie neue Wege! · Schaffen Sie Innovationszirkel, die unkonventionelle Ideen entwickeln dürfen. - Zeigen Sie Mut zur strategischen Lücke!
- Gestalten Sie Kooperationen und strategische Allianzen mit Gleichgesinnten oder auch mit anderen Gewerken aus Glas, Beschlag und Dichtung.
- Nutzen Sie die augenblickliche Marktlage für sich!
- Fordern Sie Ihren Vertrieb und Ihre Kunden auf, Marktinformationen systematisch zu sammeln, um für die Zukunft gerüstet zu sein und den Informationsvorsprung ausspielen zu können.
Als Gesamtfazit bleibt festzuhalten, dass das intelligente Haus keine Zukunftsvision ist, sondern handfeste Realität. Die vielen - zugegebenermaßen - vorhandenen Spielereien in diesem Haus dürfen aber nicht davon ablenken, dass im Grunde genommen zwei Themen im Vordergrund stehen: Sicherheit und Energieeinsparung.

Zusammen genommen sind sie der Hauptbestandteil dieses Innovationsgebäudes. Beide Themen sind mit Kreativität und Engagement schnell und nachhaltig von der Branche mit entsprechenden innovativen und vernetzbaren Produkten zu besetzen.

Falls das nicht gelingt, besteht die große Gefahr, dass andere Industrien sich die Fenster und dessen Technik für ihre eigenen Produkte zu eigen machen und damit das Kaufkraftpotential der Fensterbranche abschöpfen.

Präsentation auf dem Kunststoff-Fenster-Kongress

Die Befragungsergebnisse einer Untersuchung bei Wohneigentümern, Architekten und Fertighausherstellern werden von der MMT Marketing Management Team Kurt Buck GmbH auf dem 4. Internationalen Kunststoff-Fenster-Kongress am 5./6. Februar 2002 in Würzburg präsentiert.

Das Programm des Fenster-Kongresses zum Download (pdf, 110 kB).