Spektakuläres Verwaltungsgebäude der "Swiss Re" in München (06/17/2002)

  
Hightech–Glas statt Klimaanlage

Lichte Büroräume, gleichzeitig bauliche Geschlossenheit und Sichtschutz – diesen vermeintlichen Widerspruch löste das Hamburger Architektenbüro Bothe, Richter, Teherani mit Hightech–Glasfassaden. Das spektakuläre Verwaltungsgebäude der „Swiss Re“ in München-Unterföhring schwebt dabei scheinbar in der Luft: Aufgeständerte Bürotrakte wirken wie vom Boden abgekoppelt. Die für eine Berankung vorgesehenen Pergolen – sie geben den notwendigen Schatten – ragen als Vegetationswände elf Meter in die Höhe und werden den Komplex im Sommer mit grünem Flair umgeben. In diesem Winter bezog der Bauherr das neue Gebäude.

Das neue Gebäude sollte Raum bieten für ein großzügiges Nebeneinander von Konzentration wie auch Kommunikation und damit die Corporate Identity des Unternehmens architektonisch umsetzen. Eine eher ungewöhnliche, rautenförmige Grundstücksform gab den Rahmen. Die Swiss Re (ehemals Bayerische Rück) lud zehn Architekturbüros zum Wettbewerb ein, aus dem das Architektenbüro Bothe, Richter, Teherani aus Hamburg als Sieger hervorging.
 
Zwei Gebäude in einem

Die gestalterische Grundidee des Architektenteams koppelt die Büros optisch von den sonstigen Gebäudeeinrichtungen ab. Der Stahlbetonskelettbau besteht deshalb aus zwei nahezu unabhängigen, in ihrer Geometrie unterschiedlichen Gebäuden, die sich praktisch überlagern. Als Kerngebäude fungiert ein aus dem rechten Winkel verschobener zweigeschossiger Baukörper, dessen Grundfläche dem Parallelogramm des Grundstückes entspricht. Er umgibt mit vier Gebäudeflügeln einen großen lichten Innenhof.

Über den Ecken des Gevierts ragen die vier Erschließungstürme für die in Einheiten („Units“) zusammengefassten Büroräume. Jeweils vier sind radial abgespreizt und im rechten Winkel abgeknickt auf Stützen um die einzelnen Türme angeordnet. Wie die Flügel einer Windmühle sind sie im Luftraum, sozusagen freischwebend, über ein diagonales Wegekreuz verbunden.

Überschaubare Größe, die sinnvolle Kombination von Einzel- mit Teambüros und nicht zuletzt der anregende Blick in das vielschichtige Raumgeflecht machen den Reiz des Arbeitsumfeldes für die Nutzer aus. „Ein inspiriertes und gleichzeitig inspirierendes Gebäude“, meint Architekt Hadi Teherani. „Es erlaubt Arbeiten im Spannungsfeld von individuellen Baukörpern und gebauter Parklandschaft.“

Viel Glas, aber ohne Heizkörper und Klimaanlage

Energiesparen wird großgeschrieben: Das Bauwerk besitzt weder Heizkörper noch eine energiezehrende konventionelle Klimaanlage, sondern „thermoaktive“ Stahlbetondecken und -böden. In diesen fließt das auf 20 bis 25 Grad erwärmte Wasser durch Kunststoffrohre. Das wärmt im Winter und kühlt im Sommer.

Ausschlaggebend für den minimalen Energieverbrauch ist die hochwertige Verglasung. Während früher der großflächige Einsatz von Glas in der Fassade angesichts des hohen Wärmedurchgangs zu erheblichen Energiekosten für die Klimatisierung führte, verknüpfen die modernen Hightech-Isoliergläser relativ hohe Lichtdurchlässigkeit mit hervorragendem Wärme- und Hitzeschutz.

Das von Interpane für die Innenhof-Fassade gelieferte Sonnenschutzglas ipasol natura erreicht fast die Grenze des physikalisch Machbaren: Bei einem niedrigen Sonnenenergiedurchgang (g-Wert) gewährleistet das Fassadenglas eine hohe Lichtdurchlässigkeit (t). Grund ist die hauchdünne Funktionsschicht auf der Innenseite der Außenscheibe, die die einfallenden Sonnenstrahlen weitgehend reflektiert. Durch die Beschichtung und eine Edelgasfüllung im Scheibenzwischenraum ist, zugleich mit einem Wärmedurchgangskoeffizienten (UV) von nur 1,1 W/m²K nach DIN 52 619, hoher Wärmeschutz sichergestellt.

Wärmedämmend wie eine massive Wand

Noch extremer sind die Wärmedämmwerte der Verglasung in den Außenfassaden. Das Dreifach-Isolierglas iplus 3C sorgt, dank Wärmeschutzbeschichtungen und Edelgasfüllungen, mit einem UV-Wert von 0,5 W/m²K für Wärmeschutz praktisch wie bei einer massiven Wand.

Dazu gehört auch das von Interpane speziell für hohe Wärmeschutzanforderungen entwickelte its-Randverbundsystem: Statt Aluminium wird als Abstandhalter ein spezielles Edelstahlprofil mit geringer Wärmeleitfähigkeit verwendet.

Beleuchtung auf Tageslicht abgestimmt

Für ein behagliches Arbeitsumfeld sind optimale Lichtverhältnisse besonders wichtig. Die filigranen Glasfassaden und ihre besonders schmalen Rahmenkonstruktionen aus Stahl und Aluminium gewährleisten mit hoher Lichtdurchlässigkeit ausreichenden Tageslichteinfall bis in die Tiefe des Gebäudes. Die gläsernen Brüstungselemente (ipacolor) akzentuieren Teilbereiche der Fassade und runden zugleich den harmonischen Gesamteindruck ab.

Optimal für die Arbeit ist ein auf Tageszeit und Arbeitsplatz abgestimmtes Mischlicht. Spezielle Stoffrollos in der Innenseite der Fassade filtern, wie ein Baumwollvorhang, grelles Sonnenlicht und verhindern Blendeffekte auf den Bildschirmen. Das Kunstlicht lässt sich individuell regeln oder wird, abhängig vom Tageslicht, „intelligent“ gesteuert.

Sicht- und Sonnenschutz optimiert

Obwohl gewünscht, hat auch Transparenz gewisse Grenzen. Kein Nutzer soll sich „ausgestellt“ fühlen. Vor der Außenfassade des Sockelgebäudes wurden daher Aluminium-Lamellen angebracht, die den ersten Stock des Gebäude-Parallelogramms einrahmen. Bei den Büro-Units dienen die vorgelagerten Stahlbalkone als Sicht- und Sonnenschutz. Sie beleben durch den Schattenwurf optisch die Fassade und übernehmen zudem die Funktion des Rettungswegs.

Sonnen- und Sichtschutz bieten auch die in Teilbereichen der Innenhof-Fassade vorgesehenen Siebdrucke auf der Außenscheibe der Verglasung (Strohdesign). Das feine Raster bewirkt, dass die Sonnenstrahlen bereits außen reflektiert werden, bevor sich der Innenraum aufheizen kann.

Einzelnachweis bei Überkopfverglasung

Zum großen Teil wird die Verglasung von den Profilen nur horizontal gehalten und im Vertikalbereich mit UV-beständiger Versiegelung ausgeführt. Die Stabilität der Glaskonstruktion ist dadurch nicht gefährdet. Bei den punktgehaltenen Überkopfverglasungen erstellte die für den Glas-Einbau zuständige Firma Scharfmetall GmbH, angesichts von Scheibengewichten von bis zu 400 Kilogramm, Einzelnachweise mit speziellen Prüfverfahren.

Glas in seiner ganzen Bandbreite

Der Baustoff Glas ist prägendes Material – nicht nur in der Fassade, auch beim Innenausbau. Die Architekten schöpfen seine funktionale und gestalterische Vielfalt praktisch in allen Gebäudebereichen aus. Elegante Milchglaswände bei den Verbindungswegen und gläserne Lifte sind keine aufsehenerregenden Neuheiten, zeigen aber die Konsequenz, mit der die gewünschte Offenheit auch in diesen Detaillösungen erreicht wird.

Neben der eigenwilligen Gebäudearchitektur wird ein drei Stockwerke hoher Mantel aus Vegetationswänden optische Akzente setzen. Die stählerne Pergola schirmt mit ihrer Pflanzenberankung aus Wildem Wein und Glyzinien das Bauwerk naturnah vor der Umwelt ab und kaschiert gleichzeitig das verzweigte Wegesystem aus stählernen Stegen, Brücken und Außentreppen. Da sich das an Drahtseilen befestigte Blattwerk erst in sieben Metern Höhe entfalten wird, scheint die Pergola über dem Erdboden zu schweben. Der Entwurf hierzu stammt vom Münchner Landschaftsarchitekten Peter Kluska.

Die Gestaltung der weiteren Freiflächen basiert auf einem Entwurf der amerikanischen Gartenarchitektin Martha Schwartz. Den streng geometrischen Farb-, Stein- und Wassergarten hat ebenfalls Kluska ausgeführt und mit einer Grünzone eingerahmt. Die Farbenvielfalt der Innenhoffläche aus roten Baumstämmen, blauen Glaskuben und gelben geschliffenen Sandsteinbrocken setzt sich auf den Außen- und Dachflächen mit bunten Blumen-, Sand- und Kiesbeeten fort.

Zukunftsweisende Bürogebäude-Architektur

Der Name des Bauherrn änderte sich während der Bauzeit, nicht aber der hohe Anspruch an die Architektur und Nutzungsoptimierung. Als die Swiss Re, weltweit zweitgrößter Rückversicherungskonzern, die Bayerische Rückversicherungs AG übernahm, wurde das Begonnene uneingeschränkt zu Ende geführt. Das jetzt bezogene Bauwerk dokumentiert als modernes Konzept im Bürobau die vielen Vorteile moderner Glasarchitektur – optisch, energetisch und funktional.

Autor: Dipl.-Ing. Hans-Gerd Heye

Bautafel

Bauherr: Swiss Re Germany AG, München
Objektadresse: Dieselstraße 11, München-Unterföhring
Architekten: Architekturbüro BRT Bothe, Richter, Teherani Architekten BDA, Hamburg
Bauleitung: Sturm, Peter + Peter, München
Freiflächenplanung: Martha Schwartz, New York, Peter Kluska, München
Fassade und Glaseinbau: Scharf Metallbau, Wackersdorf, Fa. App, Leutkirchen
Eingesetztes Glas: Sonnenschutzglas ipasol natura, Super­warmglas iplus 3C in Kombination mit Brüstungselementen ipacolor
Glaslieferant: Interpane Plattling