Der vertikale Garten (11/09/2009 12:00:00 PM)

Haus Ijburg
In einem Kleid aus Klinker und Pflanzen, inspiriert von Fassadendetails der Amsterdamer Schule aus den 20er Jahren, wird sich dieses Haus im Laufe der Jahre in eine grüne Skulptur verwandeln.

Ein Haus mit natürlichem Vorhang aus Rosen, Weinranken und Apfelbäumen. Als hausnahes Biotop schirmt der vertikale Garten den privaten Lebensraum der Familie ab. Die Bewohner von Haus Ijburg nutzen die großen Fensterflächen für die Wärmegewinnung im Winter und den pflanzlichen Vorhang zur Verschattung im Sommer. Die Kombination mit Erdwärmepumpe, Solarpaneelen und einem System der Wärmerückgewinnung macht das Haus zu einer außergewöhnlich umweltfreundlichen Wohnskulptur.

140-qm-Haus
Dieses 140 qm-Haus steht auf einem kleinen Grundstück in Ijburg, einem vor kurzem neu entstandenen Vorort der Stadt Amsterdam. Das Haus wurde als vertikaler Garten geplant, der in dem dicht urbanisierten Gebiet Flora und Fauna Lebensraum zum Wachsen und Gedeihen bietet. Die Geschlossenheit der Privaträume steht im Kontrast zu der Offenheit der Gemeinschaftsräume, die wie ein zusammenhängender transparenter Hohlkörper aus dem soliden Volumen „herausgesägt“ zu sein scheinen. Auf diese Weise wird der Innenraum nicht nur optisch mit der Straße, dem Garten und den Dachterrassen verknüpft. Außen und Innen werden eins, und Tageslicht fließt in das Innere. Drei Schlafzimmer, ein kleines Bad, ein WC und ein „Mehrzwecksaal“ befinden sich im Erdgeschoss, während das mit Tageslicht überflutete erste Obergeschoss vollständig offen bleibt und Raum bietet zum Leben, Kochen und Essen. Der Mehrzwecksaal im Erdgeschoss ist weit mehr als ein Eingangsbereich: Er fungiert als Kunstatelier, Arbeitsplatz, Waschküche und Spielplatz. Abstell- und Arbeitsflächen wurden unsichtbar in den dicken Wänden integriert, sodass der Nutzraum so offen, transparent und flexibel wie möglich gehalten werden konnte.

Die Fassade weist besondere Verzierungen auf. Sie wurden von Techniken der berühmten Amsterdamer Schule der 20er Jahre, deren Einfluss in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts abebbte, inspiriert. Dank intensiver Kooperation mit Ziegel- und Mörtellieferanten, Beratern für Mauerwerk sowie Maurern gelang es dem Architekten, diese traditionellen Oberflächeneffekte in die zeitgenössische Bauweise einzubinden. Da Ziegelmauerwerk sehr langlebig und wartungsfrei ist und außerdem wieder verwertet werden kann, ist es ein interessantes nachhaltiges Baumaterial. Das Zier-Mauerwerk geht über eine dekorative Aufwertung des skulpturalen Charakters des Entwurfs hinaus, da es zugleich als Haftgrund für die verschiedenen Rankpflanzen fungiert, die an der Fassade emporwachsen und einen vertikalen Garten schaffen. Auf mehreren Ebenen in die Fassade integrierte Pflanzkübel vergrößern diesen Garten zusätzlich.

Efeu, Kiwi, Wein, Spalieräpfel und Rosen werden im Laufe der Zeit das Haus überwachsen und rund um die Wohnräume und Terrassen einen „pflanzlichen Vorhang“ bilden, der auf natürliche Weise für Schatten und Privatsphäre sorgt.

Obwohl sich der Wohnbereich im Obergeschoss befindet, erleben die Bewohner den Garten als integralen Bestandteil ihrer Wohnfläche, der auf einzigartige Art und Weise Natur und Kultur miteinander verbindet. Die grüne Fassade des Hauses ist eine „lebendige Fassade“, die das Aussehen des Gebäudes im Laufe der Zeit verändern wird und Vögeln und Insekten durch die Schaffung eines neuen Ökosystems in der Stadt Lebensraum bietet. Die großen Fenster des Hauses nutzen die Wärme des Sonnenlichts, um die Gemeinschaftsräume im Winter zu heizen, während der „natürliche Vorhang“ im Sommer für Schatten sorgt. Zusätzlich verfügt das Haus über eine Erdwärmepumpe, Solarpaneele auf dem oberen Dach sowie ein regelbares mechanisches System, das ein Gerät zur Wärmerückgewinnung mit natürlicher Be- und Entlüftung in jedem Raum kombiniert. Dieses Gebäude verdeutlicht, dass sich Komfort, Schönheit und Nachhaltigkeit gegenseitig verstärken können und auf diese Weise die Umwelt-Effektivität vor der Umwelt- Effizienz gefördert wird. Aus diesem Grund erhielt das Haus eine spezielle Förderung, die nachhaltigen Gebäuden in den Niederlanden gewährt wird, und gehörte zu den Nominierungen für den niederländischen Fassaden-Design-Preis 2008.

Bautafel
OrtIlburg / NL
ArchitektMarc Koehler (im Bild) Architects, Amsterdam
www.marckoehler.nl
Bebaute Fläche207 qm
Wohnfläche140 qm
Anzahl der Räume3
Bauzeit2006 - 2008
EnergiestandardEnergiesparhaus, Wärmerückgewinnung über die Belüftung, Wärmepumpe in Verbindung mit Solar, Warmwasserrückgewinnung im Badezimmer, Regenwassergewinnung im Garten

Haus Ijburg war für den Fritz-Höger-Preis 2008 für Backsteinarchitektur nominiert.

Text/Bildquelle: www.backstein.com