Fragen an den Geschäftsführenden Partner der ARNOLD & DR. VON JACOBI UNTERNEHMENSBERATUNG GBR

Zur Person:
- Maschinenbau-Studium
- mehrere Jahre in leitender Funktion bei deutschen und internationalen Konzernen der Konsumgüter- und Investitionsgüterindustrie tätig
- Mitgliedschaften in mehreren technisch-wissenschaftlichen Verbänden
- Ausschusstätigkeiten in arbeitsrechtlichen und arbeitswissenschaftlichen Institutionen
- zehn Jahre Lehrbeauftragter der FHS München in den Fachgebieten Ergonomie, Arbeitswissenschaften und Managementtechniken
- seit 25 Jahren Unternehmensberatung für Industrielle Organisation
- Autor fachspezifischer Beiträge in den Fachzeitschriften Bauelemente Bau, dds, Glas + Rahmen


Interview:

"fensterplatz.de"


Herr Arnold, wie sind Sie als sogenannter Seiteneinsteiger zur Branche Fenster, Türen und Fassaden gekommen?
 

Horst Arnold


Seit 25 Jahren betreibe ich eine Unternehmensberatung für Industrielle Organisation. Die Mandanten waren renommierte Firmen der deutschen Industrie von A wie AGFA-GEVAERT bis V wie Volkswagen; in der Produktbeschreibung von der Empfängnisverhütungspille bis zum Airbus. Die Zielsetzungen waren, und sind es heute noch, Effizienzverbesserungen in der Ablauforganisation von der Anfrage bis zum Mahnbescheid, also der gesamte Geschäftsprozess der Unternehmung. Die Veröffentlichung von Kongressbeiträgen und die Weiterempfehlung über Verbände brachte u.a. auch den Kontakt zu einem großen Fenster- und Türenhersteller mit sich. Der Vorstand lud mich zu einem Kontaktgespräch ein und daraus wurde, abgesichert über eine Pilotstudie, ein Restrukturierungsprojekt mit einer nachgewiesenen Kostenreduktion von damals ca. 5 Mio. DM/Jahr. Das war der Einstieg in die Branche.
 

"fensterplatz.de"


Das hört sich so einfach an, das kann scheinbar jeder?
 

Horst Arnold


Wenn man es gewohnt ist, Geschäftsprozesse in allen Verästelungen zu erfassen, darzustellen und in Minuten bzw. Kosten zu bewerten, ist das Produkt erst mal sekundär. Wir sind nicht mit der Behauptung angetreten, die Funktion eines Fensters oder einer Tür zu optimieren, denn das können andere Fachleute besser. Aber die Analyse der Prozesse bringt automatisch Fragestellungen nach dem "warum so und nicht anders" mit sich. Da diese Analysen nicht im Labor oder im stillen Kämmerlein erstellt werden, sondern vor Ort, ist die Kommunikation mit den Mitarbeitern des Mandanten ein wesentliches Merkmal für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess am Produkt. Das Produkt ist demzufolge bei dieser Betrachtungsweise für uns sekundär, da die Methoden und Verfahren zur Analyse von Prozessen bei der Herstellung der Produkte für uns höhere Priorität besitzen.
... zur Veröffentlichung "Der Geschäftsprozess"
 

"fensterplatz.de"


Sie sagen also, das Produkt ist nicht ausschlaggebend für die Analyse der Geschäftsprozesse?
 

Horst Arnold


Ihre Frage ist dahingehend zu beantworten, dass nicht das Produkt den Geschäftsprozess bestimmt. Der Geschäftsprozess wird von der Frage bestimmt, ob das Produkt anonym oder kundenauftragsbezogen produziert wird. Anonym bedeutet, dass Mengen anonym auf Lager gefertigt werden und von dort ihren Käufer suchen müssen. Bei kundenauftragsbezogener Produktion sagt der Kunde vorher was, wann, wie und wo er das Produkt vom Hersteller haben möchte. Das ist der wesentliche Unterschied. In dieser Branche haben wir es bei den Fenster- und Fassadenbauern, bis auf geringe Ausnahmen, mit kundenauftragsorientierter Fertigung zu tun.
 

"fensterplatz.de"


Darf man das so verstehen, dass Sie spezialisiert sind auf die organisatorischen Funktionen in dem Unternehmen und das Produkt nicht anfassen?
 

Horst Arnold


Bei der Vielzahl von Beratungsprojekten in vielen Branchen innerhalb von 25 Jahren ist es bei der generalistischen Vorgehensweise nicht möglich, alle Produkte so genau zu kennen, dass man dem Entwickler oder Konstrukteur Paroli bieten kann. Allerdings kann man die Entwickler und/oder Konstrukteure mit Hilfe spezifischer Verfahren auf neue Ideen bringen. Dazu haben wir z. B. verschiedene Verfahren der Kreativitätstechniken im Köcher oder das Verfahren des Benchmarkings (Benchmarking - eine Vorgehensweise zur Steigerung des Unternehmenswertes) , um den eigenen Status mit den Besten in der Branche vergleichen zu können. Auch möglich ist die Anwendung der Wertanalyse nach EN DIN ISO 69910 zur Verbesserung der Funktionen und Steigerung der Wertschöpfung. Das Produkt ist Aufgabe der Entwicklung, die zugehörige Produktionstechnik, die Wirtschaftlichkeitsberechnung, die Arbeitsablauforganisation, die Kennzahlensysteme und die Optimierung der Prozesse sind unsere Aufgabe.
 

"fensterplatz.de"


Nun ist in den letzten Jahren eine große Anzahl von Unternehmen der Branche infolge Insolvenz vom Markt verschwunden. Was haben diese falsch gemacht und was für Auswirkungen hat das auf die Branche?
 

Horst Arnold


Diese Katastrophe hat sowohl externe Gründe, die in der Politik und in der gesamtwirtschaftlichen Situation zu suchen sind, als auch interne Gründe, die in der Struktur des Mittelstandes und der individuellen Unternehmensführung liegen. Seit 1995 sind 50% des Marktes weggebrochen, und die Rahmenbedingungen haben sich permanent verschlechtert. Die Bauindustrie siecht dahin. Und mit ihr, zeitlich versetzt, das Baunebengewerbe. Der Prozess hat die Talsohle noch nicht erreicht und die Konjunkturprognosen sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Die Vergangenheit bestätigt diese Aussagen täglich. Der ungenierte Griff in die Taschen des Konsumenten führt nicht zur Vertrauensbildung. Die wäre jedoch das maßgebliche Element einer Stabilisierung. Thomas von Aquin sagte bereits im Jahre 1256, dass Steuern ein legalisierter Fall von Raub wären. Und der Mann hat recht gehabt!
Die internen Gründe sind aber hausgemacht. Ich zähle dazu die Struktur des Mittelstandes, die Eigenkapitalschwäche, die Priorisierung der Technik und damit einher- gehend Defizite in Strategie, Marketing und Betriebswirtschaft. Die Frage nach den Auswirkungen auf die Branche möchte ich eher in die Frage nach dem Nutzen für die Branche umwandeln. Und die kann man nur dahingehend beantworten, dass die Kapazitäten im Jahre 1995 mindestens 30% höher waren als der Absatz, also mehr als 32 Mio. FE ausmachten. Diese Überkapazitäten sind nach wie vor präsent. Wenn auch eine große Anzahl Unternehmen Insolvenz angemeldet hat, ist es i.d.R. so, das Teilbereiche unter anderem oder sogar gleichem Namen den Markt mit Dumping-Preisen versaut haben. Denn wenn man nur noch variable Kosten zu tragen hat und nach wie vor die angebotenen Lieferantenkredite nutzt, ist man fein raus. So ist das nun mal mit der deutschen Insolvenz-Ordnung. Es besteht vor 2005 keine Hoffnung, dass sich der Markt beruhigt und zur Tagesordnung zurückkehrt. Ende 2004 werden die Karten neu gemischt und viele werden die Rote Karte bekommen haben oder noch bekommen.
 

"fensterplatz.de"


Und was sollten die Unternehmen nun Ihrer Meinung nach schon längst getan haben oder zumindest schnellstens tun, um nicht die "Rote Karte" gezeigt zu bekommen?
 

Horst Arnold


Um diese Frage zu beantworten, sollte man zuerst fragen, was sie nicht getan haben. Wie ich in meinem Beitrag "Psychogramm einer Branche" bereits vor einiger Zeit dargestellt habe, ist aufgrund der Unternehmensform - Mittelstandsunternehmen sind überwiegend Familienunternehmen - der Chef Eigentümer bzw. Geschäftsführender Gesellschafter. Er riskiert also sein eigenes Geld bzw. das seiner Hausbank, wenn er das Rating glücklich überstanden hat, und nicht, wie in Kapitalgesellschaften üblich, das Geld der Kapitalgeber nach der OPM-Methode (other people money) ausgibt. Da das so ist, rühren die Defizite aus der Entwicklung vom Handwerksbetrieb zum Industrieunternehmen her. Es sind nicht das Unternehmens-Audit oder der Businessplan mit seinen strategischen Grundpositionen, die das Handeln und die Planungen bestimmen, sondern mehr die Intuition und die Improvisation, die die vernünftige Planung ersetzten. Punktuelle Brandbekämpfung kann eine professionelle Organisation nicht ersetzen. Zu einer ausgeprägten Phobie hat sich die geradezu panische Angst vor Allianzen und Kooperationen entwickelt. Der Begriff der Kernkompetenzen ist dabei so schwammig, dass darunter die ganze Palette der Rahmenmaterialien und alles Drumherum verstanden wird. So war das nicht gemeint. Die Furcht, Know-how an den Wettbewerb zu verlieren, blockiert das strategische Handeln ebenso wie das Misstrauen gegenüber Beratern, Investoren und Banken. Die einzigen Externen, die Zugang zu ihm haben, sind der Steuerberater und fallweise der Rechtsanwalt. Konträr dazu stehen Äußerungen in Befragungen, wo Mittelständler bemängeln, dass es "geeignete" - was das auch immer sein mag - Berater für strategische Aufgaben und Unterstützung bei der Unternehmensführung in der Branche nicht gäbe. Auch der Wunsch nach Gesprächspartnern und Ratgebern mit Erfahrung und Know-how in der Branche und darüber hinaus zu anderen Branchen, Prozessen und Organisationen in Form von Coaching stimmt mit der Praxis nicht überein.
Die Veranstaltungen der Branche, wie z.B. die Cheftage, leiden an Auszehrung und sind mehr zu zwanglosen Treffen in der Supply Chain mit körperlicher Ertüchtigung mutiert. Ähnlich verhält es sich meiner Meinung nach mit der Veranstaltung der Branche in Rosenheim. Die Hersteller aus der Branche waren mit knapp 20% zu den Minderheiten zu rechnen, fast gleich auf mit den Teilnehmern von Instituten, Beratern und Sachverständigen. Die dominierende Zunft waren die Zulieferer mit mehr als 35%.
Die Unternehmen sind auf sich allein gestellt, jeder kämpft für sich allein und so ist es angeraten, sich auf seine Stärken zu besinnen und dafür etwas zu tun. Der Verband und seine Institutionen sind zu schwach, um die notwendigen Impulse zu geben, der Staat sorgt für sich selbst und der Wettbewerb ist sich selbst der Nächste.
 

"fensterplatz.de"


Was konkret kann dann also ein Unternehmen für seine Zukunftssicherung tun?
 

Horst Arnold


Die Strategie zur Zukunftssicherung zielt auf Konzepte zur Stärkung des Marketings, um sich quantitativ und qualitativ vom Wettbewerb abzuheben, gefolgt von einer massiven Ankurbelung des Vertriebs, des Anbahnens von Kooperationen und Allianzen in der Lieferkettenbeziehung und in der Entwicklung neuer und verbesserter Produkte, gemeinsam mit den Lieferanten und Kunden. Eine in etwa gleich hohe Wertigkeit liegt in der Optimierung der Geschäftsprozesse, um die Mittel für die quantitative und qualitative Expansion, nach Möglichkeit mit geringem Fremdmitteleinsatz, zu gewährleisten. Da bei der augenblicklichen Eigenkapitalsituation die Bankkredite unverzichtbar bzw. sehr wichtig sind, muss die Finanzierung für mehr als 2/3 der Unternehmen auf sichere Füße gestellt werden. Dazu ist das Rating, intern oder extern, mit einem vorausgehenden Unternehmens-Audit zur Zukunfssicherung strategisch vorzubereiten. Nicht nur den Blick nach vorne richten, sondern dafür auch das Entsprechende tun, das ist meine Empfehlung, um das zu vermeiden, was in Ihrer Frage steckte. Man kann es auch mit den Worten des Kabarettisten Dieter Hildebrandt konterkarieren: Statt zu klagen, dass wir nicht alles haben, was wir wollen, sollten wir dankbar sein, dass wir nicht alles bekommen, was wir verdienen.
 

"fensterplatz.de"


Herr Arnold, wir danken Ihnen für diese sehr ausführliche Beantwortung unserer Fragen.