Fazit Rosenheimer Fenstertage (10/22/2013 07:00:00 AM)

Moderne Fenster verbessern Lebensqualität und bieten Effizienz, Sicherheit und Zukunft

Das Fazit „Moderne Fenster verbessern die Lebensqualität“ hätte dem schlauen Fuchs vom Programmheft sicher auch gefallen. Auch die 979 Experten aus 23 Ländern, die am 10. und 11. Oktober zu den Rosenheimer Fenstertagen als größtem europäischen Branchentreff gekommen waren, freuten sich über die vielen Informationen und Praxistipps rund um Technik, Forschung und Normen. Die Besucher nahmen wichtige Impulse aus den 26 Vorträgen und den vier Workshops für die betriebliche Praxis mit. Wer nicht anwesend sein konnte, findet viele der Informationen im Tagungsband mit 170 Seiten und 600 Vortragsfolien auf CD-Rom – beides ist online verfügbar.

In seiner Standortbestimmung betonte der Institutsleiter des ift Rosenheim, Professor Ulrich Sieberath, im Plenum, dass die Energiewende die treibende Kraft im Baumarkt bleibt. Im Konzert der Baustoffe, Bauteile und der Haustechnik müssen die solaren Energiegewinne durch Fenster stärker in den Gesetzen und Normen berücksichtigt werden. Die Einführung eines Energy Labels durch die EU-Kommission verspricht Besserung und wird deshalb gerade durch ein europäisches F+E-Projekt vorbereitet, an dem das ift Rosenheim federführend beteiligt ist. „Das europäische Energy Label wird kommen, in der EnEV 2016 verankert werden und so die Verwendung energieeffizienter Fenster weiter fördern“, so Ulrich Sieberath. Darüber hinaus muss auch die demografische Entwicklung bei der Produktentwicklung stärker berücksichtigt werden. Konkret heißt dies: barrierefreie, sichere und bedienerfreundliche Konstruktionen. Zukünftige Produkte müssen ebenso den Gefahren und konkreten Auswirkungen des Klimawandels widerstehen, beispielsweise durch Orkane und Überschwemmungen.

Auch die neuen Anforderungen der EU-Kommission wie Kindersicherheit, Tauwasserfreiheit, Einbruchhemmung und Nachhaltigkeit werden die Produktentwicklung intensiv beeinflussen. Unter Kindersicherheit versteht die Kommission beispielsweise Fenster, die ein Herausfallen, Quetschen und Scheren verhindern, einen Splitterschutz haben und einen Missbrauch verhindern (Manipulationssicherheit). In den 8 Themenblöcken wurde über neue Aspekte von Technik, Recht, Normen, Forschung und Marketing informiert und diskutiert.

Im Themenblock „Energiewende“ wurden die informellen Einschätzungen von Oberregierungsrat André Hempel (BMVBS) gespannt verfolgt, da es ja zu dieser Zeit noch keine offiziellen Neuigkeiten zur EnEV gab. Zwischenzeitlich wurde die EnEV mit Änderungen des Bundesrates verabschiedet, und die Einschätzungen von Herr Hempel wurden weitestgehend bestätigt, beispielsweise, dass die Energieausweise flächendeckend auf Plausibilität geprüft und bei Auffälligkeiten nachgerechnet und vor Ort kontrolliert werden, dass es zunächst keine neuen Verschärfungen geben wird und sich der zukünftige Neubaustandard an KfW40-Häusern orientiert. Das diskutierte Mietrechtsänderungsgesetz zur besseren steuerlichen Abschreibung von energetischen Sanierungen ist wünschenswert, aber politisch kaum durchzusetzen. André Hempel machte aber deutlich, dass die Energiewende ganz oben auf der politischen Agenda bleiben werde und die Baubranche mit einer Einführung der EnEV zum 1. Juni 2014 rechnen könne.
Der Sonnenschutz wird von vielen Fensterherstellern immer noch stark vernachlässigt, obwohl schon in der EnEV 2009 klare Anforderungen definiert wurden, und auch die Bauherren immer stärker sensibilisiert sind. Auch die „Sonnenschutznorm“ DIN 4108-2 wurde verschärft und muss eingehalten werden. Dr. Martin H. Spitzner (ift Rosenheim) zeigte deutlich auf, dass in der modernen Architektur mit viel Glas fast jedes Haus einen Sonnenschutz braucht und erklärte den Umgang und die Grenzen des vereinfachten Nachweisverfahrens gemäß DIN 4108-2. Das ift Rosenheim hat hierzu einfache Diagramme erarbeitet, mit denen die notwendigen Verschattungen in Abhängigkeit von Fensterfläche, Bauart und Klimaregion abgelesen werden können. Diese werden bis Ende des Jahres in Form einer Fachinformation erhältlich sein.


Im Themenblock Sanierung erfreute Christian Wetzel (Universität Stuttgart) mit der Aussage „Ein Fenstertausch lohnt sich immer, wenn Sowieso-Anlässe anstehen“. Unter Sowieso-Anlässen versteht man die Sanierung bzw. den Anstrich von Fassaden oder Fenstern, bei denen Gerüstkosten, Farbe und Montagetätigkeiten „sowieso“ anfallen. Wetzel zeigte auch die Bandbreite der Einflussparameter wie Kapitalzins, Lebensdauer, Energie-Preissteigerungen und die Nutzungsdauer auf und wie stark diese die Berechnung der Wirtschaftlichkeit beeinflussen. Der Hebel der energetischen Sanierung ist und bleibt aber die notwendige bauliche Sanierung bei Bauschäden, Umnutzungen, Vererbung oder Verkauf. Hier gilt es die Diskussion auf die reinen Zusatzkosten zu lenken, und hier zeigt sich, dass sich moderne energieeffiziente Bauteile und Baustoffe in den meisten Fällen rechnen.

Auch Martin Heßler (ift Rosenheim) verkündete mit der Feststellung „Tauwasser und Schimmelbildung sind vermeidbar“ eine frohe Botschaft. Gut dämmende Fensterrahmen in Verbindung mit Dreifachglas und einer warmen Kante können als Standard bezeichnet werden und verhindern gemeinsam die Bildung von Tauwasser, wenn … ja wenn das Lüftungs- und Heizverhalten zur Raumluftfeuchte passt. Genau darum drehen sich dann die meisten Rechtsstreitigkeiten. Martin Heßler unterschied deshalb unterschiedliche Fälle aus der Gutachterpraxis des ift und deren Schadensursache. Dies kann als Argumentationshilfe bei Reklamationen genutzt werden.
 
 

Der schlaue Fuchs begrüßte fast
1.000 Besucher in seinem Bau und wünschte „mehr Lebensqualität“ mit modernen Fenstern


Der neue Vorsitzende des Vorstandes Bernhard Helbing begrüßt fast 1.000 Besucher zu den 41. Rosenheimer Fenstertagen



Der Tagungsband enthält auf über 170 Seiten und 600 Vortragsfolien die Informationen der 26 Vorträge


Führungsriege steht Rede und Antwort bei der Jahres Pressekonferenz des ift Rosenheim
(v.l.n.r. Pressesprecher Jürgen Benitz-Wildenburg, Leiter F+E Norbert Sack, Institutsleiter Prof. Ulrich Sieberath, stellv. Institutsleiter Dr. Jochen Peichl, Vorstandsvorsitzender Bernhard Helbing)


Der bayerische Festabend ist eines der Highlights der Rosenheimer Fenstertage
Der Themenblock Glas behandelte die Ergebnisse von zwei hoch spannenden Forschungsprojekten sowie die Änderungen der DIN 18008 „Glas im Bauwesen“. Norbert Sack (ift Rosenheim) erklärte, mit welchen Konstruktionsprinzipien sich das Flächengewicht von Isolierglas verringern lässt und welche Probleme dabei auftreten können. Während der Einsatz von dünnerem, vorgespanntem Glas keine grundsätzliche Konstruktionsänderung bedeutet, muss beim Einsatz von leichteren Folien und Kunststoffplatten auch der Randverbund geändert werden. Grundsätzlich sind aber auch diese Konstruktionen machbar. Interessant sind auch mögliche geringere Glasdicken beim Lastfall Windlast, wenn nicht-lineare Berechnungsmethoden genutzt werden. Die Details hierzu finden sich im Forschungsbericht (ISBN: 978-3-86791-337-3).
Karin Lieb (ift Rosenheim) führte auf eine Reise in die Vergangenheit, und zwar in das Jahr 1985, in dem am ift Rosenheim die erste größere Structural Sealant Glazing (SSG) Fassade in Deutschland gebaut wurde. 2012 musste die SSG-Fassade einer energieeffizienten Glaskonstruktion weichen und stand als Referenzobjekt für eingehende Forschungsarbeiten bezüglich der Dauerhaftigkeit zur Verfügung. Die Untersuchungen der alten Fassade und die Analyse des über Jahre absolvierten Monitorings ergaben eine sehr gute Übereinstimmung mit den Kurzprüfverfahren gemäß ETAG 002-1. Die gewonnenen Erfahrungen und Ergebnisse können heute hervorragend für innovative Fassaden genutzt werden, die ohne „Angst-Hosenträger“ auskommen und bislang nur über eine Zustimmung im Einzelfall gebaut werden können. Das ift Rosenheim kann solche Projekte durch Monitoringkonzepte begleiten, um den Zulassungsprozess zu vereinfachen und zu beschleunigen.
Den Abschluss machte dann Prof. Dr. Geralt Siebert (Universität der Bundeswehr, München) mit seinen Erläuterungen zur Dimensionierung und Tragfähigkeitsnachweisen für Glaskonstruktionen gemäß der neuen DIN 18008, „Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln“, die auf dem Bemessungskonzept der Eurocodes basiert. Der Vortrag konnte nur einen ersten Überblick in die Struktur dieser vielschichtigen Thematik geben, um die Teilnehmer bei der Planung weiterer Maßnahmen zu unterstützen, beispielsweise ein Update oder der Einsatz einer geeigneten Software sowie Fortbildungen. Das ift Rosenheim plant nach der bauaufsichtlichen Einführung der DIN 18008 die Erstellung von Diagrammen für übliche Praxisfälle, mit denen ein einfacher Nachweis möglich ist.
Im Themenblock Markt und Trends spann sich der gemeinsame rote Faden um die vielfältigen Argumente zur Modernisierung alter Fenster aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln. Frau Prof. Dr. Runa Hellwig (Universität Augsburg, Energieeffizienz-Design) betonte den großen Einfluss der Fenster auf das Raumklima, genannt seien die Stichworte Lüftung, Tageslicht und thermische Behaglichkeit. Allerdings stand nicht die Technik selbst im Vordergrund, sondern das, was Nutzer wollen, brauchen und tatsächlich tun. Menschen haben ein ganz unterschiedliches „Klimaempfinden“ und zwar individuell wie kulturell. So wollen Menschen in warmen oder tropischen Regionen einen ständigen Luftzug, was bei uns fast verpönt ist. Das wird oft nicht beachtet, und der Einfluss auf die geplanten Energiespareffekte dadurch stark unterschätzt wird. Frau Prof. Hellwig zeigte nachdrücklich, dass die Nutzererwartungen deshalb genauer analysiert werden müssen. Hier können die Erkenntnisse aus der Softwareentwicklung auf die Steuerung und Bedienung automatisch betriebener und gesteuerter Fenster übertragen werden.
Ulrich Tschorn (Verband Fenster + Fassade, VFF) stellte mit vielen Beispielen dar, wie differenziert man die Wirtschaftlichkeit betrachten kann, um damit der Frage nach der Amortisationszeit zu begegnen. Durch die Einbeziehung der „Sowiesokosten“ ist auch das wirtschaftliche Ergebnis viel positiver. Tschorn wies auch Wege, um der Preisdiskussion zu entkommen und zu zeigen, dass neue Fenster Spaß bringen und Vorteile haben, beispielsweise mehr Schallschutz, Sicherheit und Komfort. Hier helfen Vergleiche zu anderen Kaufmotiven sehr, die häufig nicht wirtschaftlich getroffen werden, ob nun das neue Auto, die neuen Schuhe oder ein neues Bad, das ja überhaupt keine Kosten spart – das schafft hingegen jedes neue Fenster. Tschorn brachte es auf die kurze Formel „Neue Fenster machen Spaß, sparen Geld und tun Gutes für Klima und Umwelt“.
Im Abschlussvortrag des Themenblocks gab Prof. Dr. Ulrich Bogenstätter (FH Mainz, technisches Gebäudemanagement) viele Insidertipps, wie das Potenzial und der richtige Zeitpunkt für den Vertrieb von Fenstern bei Vermietern ermittelt werden kann – oft genügt nur ein Blick in den letzten Geschäftsbericht einer Wohnungsgesellschaft. Dabei präsentierte er aktuelle Zahlen, mit denen eine Marktsegmentierung möglich ist und eine Analyse unterschiedlicher Kaufmotive zur Identifikation der richtigen Entscheider. Er unterschied grob zwischen dem Portfoliomanager, dem Händler und dem Bewirtschafter, die alle sehr unterschiedliche Motive für Investitionen haben. Das zentrale Motiv aller Entscheider brachte Prof. Bogenstätter plakativ wie folgt auf den Punkt „Hauptsache wir sparen uns Ärger mit dem Mieter“. Wenn man dazu noch die wichtigsten Beschwerden bei alten Fenstern wie Lärm, Tauwasser und Luftzug in Betracht zieht, ist das eine Steilvorlage für die Qualitätshersteller und Mitgliedsfirmen der RAL-Gütegemeinschaft.

Der Themenblock Forschung führte dann in die nähere und ferne Zukunft. Ministerialrat Hans-Dieter Hegner (BMVBS) führte ins Jahr 2020, in dem alle neuen Häuser und verstärkt auch ältere sanierte Gebäude als Plusenergiehaus ausgeführt werden. Dies bedeutet, dass ein Haus mehr Energie erzeugt als für Heizen, Warmwasser und den gesamten Haushaltsstrom verbraucht werden. Wichtig ist, dass der mittels PV-Anlagen erzeugte Strom nur wenig für Heizen und Warmwasser verbraucht wird und damit für den Haushalt, die notwendige Anlagentechnik und die Elektromobilität nutzbar ist. Die Technik ist bereits heute schon vorhanden, basiert auf dem Gebäudekonzept der KfW 55- bzw. KfW 40-Häuser und wird bereits heute als kommerzieller Standard von Fertighausherstellern angeboten – übrigens zu moderaten Mehrkosten von ca. 15 %. Was noch fehlt, ist ein intelligentes Energie-Management, um so viel Energie wie möglich dezentral, also im eigenen Haus, zu nutzen. Konkret heißt dies: mittags bei Sonnenschein möglichst viel Energie nutzen, beispielsweise durch die Waschmaschine, den Tiefkühlschrank, den Geschirrspüler oder die Batterie vom E-Mobil. Interessant war vor allem die Vorstellung vorbildlicher Plusenergiehäuser mit modernen Glasfassaden zur solaren Energienutzung, die allen Teilnehmern richtig Lust zum Nachbauen vermittelte. Neben den technischen Aspekten hob er vor allem die hohe Wohnqualität dieser Häuser hervor und brachte dies mit seinem typischen Berliner Charme auf den Punkt „Plusenergiehäuser verkaufen Effizienz, Sicherheit und Zukunft und die Glasflächen bringen viel Tageslicht und wirken wie ein Antideppressivum“. Detaillierte Infos zu den Projekten und zum Thema finden sich unter www.bmvbs.de.
Der Vortrag von Dr. Jan Wurm (Arup Deutschland) führte nach Hamburg auf das Gelände der Internationalen Bauausstellung (IBA) und zeigte die technischen und organisatorischen Hintergründe einer „Green Facade“, die vielleicht in 20 Jahren einen neuen Baustandard setzen. Hinter der „Grünen Fassade“, die zurzeit durch alle Medien wandert, verbirgt sich ein Isolierglas, in dessen Inneren kleine einzellige Algen wachsen und Biomasse bilden, die im Sommer abends „geerntet“ werden kann. Die Algenfassade funktioniert dabei wie ein vertikales Gewächshaus, in dem Biomasse wächst und gleichzeitig verschattet, kühlt und auch Biogas erzeugt. Interessant ist sicher, dass für die „Algenernte“ bereits ein Verwertungskreislauf besteht, auf den Pharmazie-, Kosmetik- und Nahrungshersteller zurückgreifen. Auch wenn die Anlagentechnik noch aufwändig ist und die Energieeffizienz mit PV-Modulen nicht mithalten kann, ist dies doch ein erfrischend neuer Ansatz für nachhaltige und umweltverträgliche Gebäudetechnik, die deshalb auch von der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“ unterstützt wurde und im März 2014 auch der fensterbau/frontale frontale im Rahmen der ift-Sonderschau „lebendig forschen – besser leben“ zu sehen sein wird.


Im Themenblock Sicherheit wurde der Blick auf die Einbruchhemmung und den Brandschutz gelenkt, die zurzeit besonders in der öffentlichen Diskussion stehen. Jens Pickelmann (ift Rosenheim) begründete das gestiegene Interesse an besserem Einbruchschutz durch die stark steigende Zahl von Einbruchdelikten und die hohe Abbruchquote von Einbrechern bei einbruchhemmenden Fenstern und Türen. Diese erfolgreiche Maßnahme ruft auch die Politik auf den Plan, die in Holland schon zur Definition von Mindestanforderungen geführt hat, in Deutschland aber noch diskutiert wird. Allerdings wird heute bei öffentlichen Gebäuden in der Ausschreibung für Bauelemente häufig schon die Widerstandsklasse RC 2 oder RC 2N gefordert. Im Weiteren erklärte Jens Pickelmann anhand von Zeichnungen, Bildern und Praxisbeispielen, wie man die Prüfung von neuen Fenstern und Nachrüstprodukten effektiv plant und organisiert, wie „alte“ Prüfberichte genutzt werden können und was bei der Konstruktion, Nachrüstung und der Montage zu beachten ist.
Im zweiten Vortrag widmete sich Dr. Gerhard Wackerbauer (ift Rosenheim) dem Brandverhalten von Materialien in Fenstern und Fassaden, denn das Baurecht fordert für alle Bauteile mindestens eine „normale Entflammbarkeit“ und das gilt sinngemäß für ganz Europa. Wann erhöhte Vorschriften gelten und wie die Nachweise zu führen sind und für brennbare Materialien wie Fugendichtstoffe und Dichtprofile erreicht werden können, beschrieb Gerhard Wackerbauer anschaulich anhand von Auszügen aus Baugesetzen, Normen und Praxisfällen. Ein Einblick in die bestehende Klassifizierungsnorm EN 13501-1 und ein Ausblick auf die zukünftige europäische Produktnorm EN 16034 für Fenster, Türen und Tore mit Brandschutzeigenschaften zeigte die möglichen Vereinfachungen für die Planung, Ausschreibung und Nachweise von feuerhemmenden Bauteilen und Baustoffen.


Der Themenblock Konstruktion beschäftigte sich mit Holzschutzmitteln im Fensterbau, Qualitätsstrategien für Kunststoff-Fenster und die EN 1090 „Ausführung von Stahl- und Aluminiumtragwerken“. Den Anfang machte Dr. Odette Moarcas (ift Rosenheim), die den intelligenten Umgang mit der neuen Holzschutznorm DIN 68800 als Ziel hatte. In der Praxis geht es dabei häufig um die Frage, ob und wie ein chemischer Holzschutz eingesetzt werden muss. Das Ziel der Norm und der meisten Bauherren ist der Verzicht auf chemische Mittel, auch wenn wenig resistente Nadelhölzer wie Fichte oder Kiefer eingesetzt werden. Dies ist durchaus möglich, wenn der Einsatzzweck und die konstruktiven Randbedingungen geeignet sind – eine Angabe seitens des Architekten „Holzschutz nach DIN 68800“ ist auf jeden Fall in keiner Weise ausreichend und muss konkreter beschrieben werden. Interessant waren auch die Ergebnisse eines Forschungsprojekts, bei dem 2.119 deckend beschichtete Kiefer- und Fichtefenster auf Schäden untersucht wurden. Klare Aussage war, dass es auf die Dichtheit der Fugen im Rahmeneckbereich ankommt und im Wesentlichen nur die Fenster in exponierter Lage im 10. bis 12. Obergeschoss größere Schäden aufwiesen. Des Weiteren wurden praktische, konstruktive Empfehlungen zur Ausführung und der Ausschreibungspraxis gegeben. Hierzu gehörte auch die Feststellung, dass Bläueschutz kein chemischer Holzschutz ist und deshalb auch bei der Klasse 0 verwendet werden kann – durchaus sinnvoll bei hell lasierten Rahmen aus Nadelholz oder Holz-Metall-Fenstern.

Jörn Peter Lass (ift Rosenheim) machte einen Exkurs in die Geheimnisse der Gütesicherung, mit der vor allem die Hersteller der RAL-Gütegemeinschaften die Qualität von Kunststoff-Fensterprofilen und Kunststoff-Fenstern enorm gesteigert haben. Mit den neuen Güte- und Prüfbestimmungen RAL-GZ 176 hat die Gütegemeinschaft Kunststoff-Fensterprofilsysteme e.V., Bonn einen Paradigmenwechsel vorgenommen, da nicht nur die Profile selbst auf ihre Materialeigenschaften überprüft werden, sondern zusammen mit Dichtungen, Komponenten, Beschlägen und Isolierglas sowie Verfahren zur Klebung und Kaschierung als Gesamtsystem geprüft werden. Damit werden auch Wechselwirkungen erfasst und sichergestellt, dass am Ende dem Verarbeiter, sprich Fensterhersteller, ein gebrauchstaugliches Fenstersystem in hoher Qualität zur Verfügung steht. Das gesamte Prüfsystem ist modular aufgebaut und unterstützt durch definierte Austauschregeln die schnelle Weiterentwicklung der Fenstersysteme. Die einzelnen Prüfverfahren und Überwachungsregeln wurden mit dem RAL-System GZ 695 der Fensterhersteller synchronisiert und ersparen beiden Partnern, also den Systemgebern und den Fensterherstellern, unnötige Doppelprüfungen. Damit wurde das gesamte System zur Qualitätssicherung vereinfacht und optimiert, so dass Verbraucher noch bessere Fenstersysteme erhalten.


Der Themenblock Baurecht widmete sich den Änderungen der Musterbauordnung (MBO) und den geänderten Anforderungen an den Schallschutz sowie dem Zukunftsthema Barrierefreies Bauen. Klaus Diether Wathling (Oberste Bauaufsicht Berlin) erklärte die für Fenster und Fassaden relevanten Regelungen der geänderten MBO bezüglich des Brandverhaltens (§ 26 - § 45) sowie weitere Vorschriften. Grundsätzlich müssen Baustoffe nach § 28 Abs. 2 MBO, die als Bauprodukte dauerhaft eingebaut werden, mindestens normalentflammbar sein. Nichttragende Außenwände oder Teile müssen gemäß § 28 Abs. 3 MBO aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. Neu ist, dass hier eine Ausnahmeregelung für „normalentflammbar“ nun für ganze Fenster und Türen (inkl. Profile und Verglasung) sowie Fugendichtungen (von Fenstern oder in Fugen der Außenwand) gilt, sofern dies keine Fensterwände oder Fassaden, sondern Lochfenster sind. Für Sonderbauten, insbesondere bei Hochhäusern (OK FFB > 22 m, Muster-Sonderbauverordnung Hochhausrichtlinie MHHR), gelten natürlich schärfere Anforderungen. Hier müssen die Außenwände gemäß Abschnitt 3.4 der MHHR in allen Teilen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. Dies gilt auch für Unterkonstruktionen, Blenden, Fensterrahmen, Jalousien und Sonnenschutzblenden. Es gilt jedoch nicht für Dämmstoffe in nichtbrennbaren, geschlossenen Profilen fester Verglasungen, Dichtstoffe für Fugen (Abdichtung von Scheiben, zwischen Profilen) oder für Kleinteile ohne tragende Funktion. Hier sind normal-entflammbare Materialien zulässig. Neu ist die Regelung für Rettungswegkonzepte (§ 33 MBO) in der Gebäudeklasse 3-5 (Gebäude höher als 7 m oder mit mehr als zwei Nutzungseinheiten von insgesamt über 400 m²), dass in innenliegenden Treppenräumen an oberster Stelle eine Öffnung > 1 m² zur Rauchableitung mit Öffnungsvorrichtungen im EG und am obersten Treppenabsatz vorhanden sein muss. Diese Anforderung betrifft oft auch Fenster. Auch in der Musterliste der Technischen Baubestimmung (M-LTB) findet sich noch etwas für Fenster und Fassaden: In Abschnitt 2.6 Hinterlüftete Außenwandbekleidungen, Anlage 2.6/4, werden besondere brandschutztechnische Vorkehrungen bei geschossübergreifenden Hohlräumen definiert und horizontale Brandsperren sowie Tür- und Fensterleibungen aus Stahlblech (d > 1,5 mm) vorgesehen werden müssen. Insgesamt gilt, dass die Zuordnung der bauaufsichtlichen Anforderungen zu den deutschen und europäischen Klassen möglich ist, beispielsweise nach DIN EN 13501-1. Die MBO und alle Sonderbauvorschriften finden sich kostenfrei und aktuell unter www.bauministerkonferenz.de.
Robert Kolacny (ift Rosenheim) widmete sich dann der baurechtlichen Relevanz der Barrierefreiheit und deren Umsetzung. Die MBO fordert in § 2 Abs. 9 und § 50, dass öffentlich zugängliche bauliche Anlagen (Einrichtungen der Kultur, Bildung, Gesundheit, Verkaufsstätten, Gaststätten, Hotels) sowie Wohngebäude ab drei Wohnungen für Menschen mit Behinderung ohne besondere Erschwernis und ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sein müssen (barrierefrei). Die Bundesstudie „Wohnen im Alter“ weist einen Bedarf an 2,5 Millionen altersgerechter Wohnungen aus und zeigt damit die große Bedeutung und das Marktpotenzial für barrierefreie Produkte. Die normativen Festlegungen finden sich in der DIN 18040 Teile 1 und 2. Robert Kolacny analysierte die für Fenster und Türen relevanten Regelungen und die konstruktive Umsetzung anschaulich anhand zahlreicher Praxisbeispiele. Besonders die Null-Millimeterschwelle wird intensiv diskutiert, da konstruktive Schwierigkeiten bezüglich Schlagregendichtheit und Wärmebrücken bestehen. Robert Kolacny zeigte Lösungsansätze und dass es Konstruktionsprinzipien für schlagregendichte Fenstertüren bis 9A gibt und geringe Wärmebrückenkoeffizienten erreicht werden können. Daneben ist aber auch der Bedienkomfort relevant. Hier sind es vor allem die großen und schweren Elemente, die zu erhöhten Bedienkräften führen. Auch hier gibt es technisch/konstruktive Lösungen, die im Vortrag beschrieben wurden.
Bernd Saß (ift Rosenheim) erläuterte die Änderungen der Schallschutznorm DIN 4109, die 2013 vollständig und umfassend überarbeitet wurde. Das Anforderungsniveau bleibt bestehen, aber die Rechen- und Nachweisverfahren ändern sich. Das Vorhaltemaß entfällt, so dass der gemessene Wert R´wP direkt mit dem Rechenwert R´wR verglichen und genutzt werden kann. Die Planer müssen bei der Ermittlung des erforderlichen Schallschutzes nun unterschiedliche Korrekturfaktoren für die Unsicherheit „u“ beachten, in dem Einflüsse der Messunsicherheit, der realen Bausituationen und der Produktstreuung berücksichtigt werden. Der erforderlichen R´wR Wert wird also nicht mehr durch den Abzug eines pauschalen Vorhaltemaßes bestimmt. Ein großes Plus sind auch die erweiterten Bauteilkataloge für Fenster und Türen sowie die neu hinzugekommenen Tabellen für Glas, Innentüren und Fugen. Für Fassaden wird das ift Rosenheim im Rahmen eines Forschungsprojektes ebenfalls einen Bauteilkatalog erstellen, der dann auch Angaben zur Schall-Längsleitung umfasst. Damit werden Ausschreibungen und die technischen Dokumentationen für die Hersteller vereinfacht. In der Summe sind die Änderungen für die Praxis in der Fenster- und Fassadenbranche sehr positiv – mit den Details muss man sich natürlich auch als Fenster-, Türen- oder Fassadenhersteller beschäftigen.
Prof. Christian Niemöller berichtete im Abschlussplenum über den aktuellen Stand der Bauproduktenverordnung. Er war zufrieden mit der professionellen Vorbereitung und Umsetzung der großen Hersteller bezüglich der Dokumentenerstellung und Deklarationspflichten, äußerte aber seine Sorgen bezüglich kleinerer Handwerksunternehmen, die wohl in Zukunft Schwierigkeiten mit der Marktaufsicht bekommen könnten. Dies sei durchaus berechtigt, denn die Marktaufseher trafen sich im September zum ersten Erfahrungsaustausch und tauschten sich bezüglich der Vorgehensweise aus. In 2014 sei deshalb mit verstärkten Aktivitäten zu rechnen. Diese werden stichprobenartig und anlassbezogen sein und sich wohl auf die formale Richtigkeit der Dokumente konzentrieren. In der anschließenden Diskussion wurden etliche sehr konkrete Fragen gestellt und kompetent von Prof. Niemöller und Prof. Sieberath beantwortet. Diese werden dann in Kürze auch auf der ift-Website auf der Themenseite CE-Zeichen zu finden sein.

Die Workshops Energiekosten sparen, Easy Montage, Bauproduktenverordnung und Lüftungskonzept waren in diesem Jahr außergewöhnlich gut besucht, was wohl an den sehr praxistauglichen Tipps lag, mit denen sich z.B. im Fall des Energiemanagements direkt viel Geld sparen lässt. Auch diese Folien und Berechnungsbeispiele sind im Tagungsband der Rosenheimer Fenstertage enthalten.


Infokasten:


Der Tagungsband beschreibt auf über 170 Seiten die wichtigsten Trends aus Technik, Wissenschaft und Normung. Die insgesamt 26 Vorträge der Rosenheimer Fenstertage erklären normative Änderungen, technische Neuerungen und bieten viele Praxistipps. Der Tagungsband enthält die Textmanuskripte sowie eine CD-Rom mit über 600 Vortragsfolien aller Referenten.

ISBN-Nr. 978-3-86791-355-3
Preis 75,00 zzgl. MwSt.

Bestellung im Literaturshop www.ift-rosenheim.de


Alle Vortragsfolien können auch als Bilddatei zur Verfügung gestellt werden.

Über das ift Rosenheim

Das ift Rosenheim ist eine europaweit notifizierte Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstelle und international nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditiert. Im Mittelpunkt steht die praxisnahe, ganzheitliche und schnelle Prüfung aller Eigenschaften von Fenstern, Fassaden, Türen, Toren, Glas und Baustoffen. Ziel ist die nachhaltige Verbesserung von Produktqualität, Konstruktion und Technik sowie Normungsarbeit und Forschung. Die Zertifizierung durch das ift Rosenheim sichert eine europaweite Akzeptanz. Das ift fühlt sich zur Wissensvermittlung verpflichtet. Als neutrale Institution genießt das ift bei den Medien einen besonderen Status und die Publikationen dokumentieren den aktuellen Stand der Technik.