Nachhaltig Bauen geht über den Einsatz ökologischer Baustoffe weit hinaus (10/11/2012 07:00:00 AM)

Bewohner konsequent in den Mittelpunkt der Planung gestellt

Wohnanlage von Wolfgang Frey geht mit mehrgeschossigen Holzbau neue Wege / Wärmedämmung mit EPS

Wer nachhaltiges Bauen auf den Einsatz von Baustoffen aus nachwachsenden Rohstoffen eingrenzt, begeht einen Doppelfehler: Zum einen erfasst ein ganzheitlicher Nachhaltigkeits-Ansatz weit mehr als nur die Baustoffe, er berücksichtigt auch Faktoren wie die sozialen Anliegen der Bewohner, Wohnqualität, Flächenverbrauch, Langfristigkeit. Zum anderen wählt er Baustoffe mit einem Blick über den Tellerrand: Hier spielen Aspekte vom Transportweg für den Baustoff bis zum Energie-Einsparpotenzial während des Lebenszyklus’ eine Rolle. Im Ergebnis führt dieses Denken zu Projekten wie der Wohnanlage in Freiburg-Rieselfeld von Architekt Wolfgang Frey. Es ist vor allem konsequent von den Nutzern her gedacht, bietet weit mehr als nur Wohnraum – und beweist, dass ein Holzbau mit EPS-Dämmung ausgezeichnet funktioniert.

Ganzheitliche nachhaltige Planung: Sie beginnt beim Produktionsprozess der eingesetzten Baustoffe und endet beim Rückbau und der Wiederverwertung des Bauwerks. Sie wägt ab zwischen Primär-Energie-Einsatz für die Erstellung und den Energieverbrauch bzw. die CO2-Bilanz während der Nutzphase und optimiert die Gesamtbilanz. Und sie orientiert sich nicht zuletzt am Bedarf, an den konkreten Nutzerwünschen – also am Menschen. Dieses Denken führt zu neuen Konzepten im Wohnungsbau, weg von der rein an Baukosten und Quadratmeter-Preisen orientierter Planung, weg von Zuschnitten für den Ein-, Zwei-, oder Drei-Personen-Haushalt, hin zu komplex konzipierten Anlagen. Best-Practice-Beispiel gibt es – wie die von Wolfgang Frey gebaute Wohnanlage in Freiburg-Rieselfeld.
 

Ökologisches und ökonomisches Vorzeige-Projekt von Wolfgang Frey: Die Holzbauten in Freiburg Rieselfeld.


Für den Wärmeschutz sorgt ein EPS-Fassadendämmsystem.
Fotos: Frey
Fünf mal besonders

Wolfgang Frey baut nach dem von ihm konzipierten „Fünf-Finger-Prinzip“: Der Neubau von Wohnhäusern soll danach im Interesse einer nachhaltigen Stadtentwicklung ökologisch sinnvoll, energieeffizient, integrativ, sozial und bezahlbar sein. Durch die Vermietungsgesellschaft "pro scholare“, die als Generalmieter die Verfügungsgewalt über alle Wohnungen hat, kann die Wohnungsbelegung gesellschaftspolitisch sinnvoll geführt werden. Auch das Mehrfamilienhaus in der Ingeborg-Drewitz-Allee folgt diesen Prinzipien:

Ökologie: Die konsequente Suche nach Baustoffen, die sowohl selbst nachhaltig sind, als auch einen nachhaltigen – sprich: Ressourcen schonenenden – Betrieb ermöglichen, führte zu einem mit EPS (StoTherm Classic) gedämmten Bau aus massiven Holzplatten für Wände und Decken. Heimisches Holz als nachwachsender Rohstoff bringen viele Menschen schnell mit einer nachhaltigen Bauweise in Verbindung, bei Polystyrol-Dämmung sind häufig Vorbehalte zu hören. „Dabei ist die Energiebilanz von PS-Hartschaum ausgezeichnet: Schon im ersten Jahr als Wärmedämmung sparen die Platten mehr Heizöl ein, als sie an Rohöl zur Herstellung benötigen“, konstatiert Dipl-Phys Markus Zwerger von der Sto AG. Erdöl zu verwenden ist nach der Überzeugung von Wolfgang Frey nicht schädlich, solange EPS als Produkt aus Erdöl im Produktionskreislauf verleibt. Dieser Grobwert könne generell zugrunde gelegt werden, auch wenn die tatsächliche Einsparung objektabhängig schwankt. Enge Abstimmung mit den Behörden führte dazu, dass auch vom Brandschutz keine Einwände kamen – nur die Treppenhäuser und eine Brandwand wurden aus nichtbrennbaren Baustoffen errichtet.

Kostenbewusst: Nur wenn sich die, für die das Bauwerk gedacht ist, sich dieses auch leisten können, passt das Konzept, so die These von Frey. Da sich das Rieselfeld-Projekt an viele Bevölkerungsgruppen richtet, achtete der Planer sehr auf die Baukosten. Denn auch die finanzielle Barriere ist aus seiner Sicht eine Barriere.

Innovativ: Nur wer neue Lösungen sucht, findet auch bessere Lösungen. In Freiburg ist das innovative unter anderem im Einsatz des Baustoffs Holz zu sehen – für den unter anderem ein aufwändiges Genehmigungsverfahren durchgeführt wurde.

Intergrativ: Wohngebäude sollen einen menschenwürdigen, vernetzenden Lebensraum schaffen, Sicherheit bieten und Raum für Kommunikation bieten. Frey schafft diesen Raum u..a. durch Plätze für gemeinsame Aktionen, für Begegnung und durch die auf ein Miteinander angelegte Eigentumsform.

Nutzenstiftend: Dahinter steht die Idee, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle Beteiligten engagieren – auch, weil es sich lohnt. Das bedeutet, dass Engagement einen Zusatznutzen bringen soll. Ansätze sind Zugriff auf das Know-How aus der Nachbarschaft oder PPP-Modelle. Das bindet die Bewohner stärker ein, eben weil sie (mehr) davon profitieren, eingebunden zu sein.

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Wolfgang Frey

Wolfgang Frey ist einer der profiliertesten Architekten für Nachhaltiges Bauen und einer der Treiber der „Green-City Freiburg“. Der aus einer Baumeister-Familie stammende Architekt steht nicht nur für den Einsatz des ressourcenschonenden Baustoffs Holz (im Südwesten Deutschlands reichlich vorhanden), er hat vor allem das soziale Miteinander der Bewohner seiner Mehrfamilienhäuser völlig neu gedacht. Dieses innovative Konzept ist beispielgebend für sozial ausgewogen errichtete Stadtquartiere. Deutlich wird dies im jungen Stadtteil Freiburg-Rieselfeld.

Für sein zukunftsweisendes Bau-Denken erhielt Frey international Auszeichnungen. Unter anderem präsentierte das Architekturbüro Frey sein Freiburger Wohnprojekt auf der EXPO 2010 in Shanghai als gutes Beispiel für nachhaltige Stadtentwicklung. Die jüngste Auszeichnung erhielt der Vordenker am 2. Oktober 2012: Die baden-württembergische Staatsministerin Silke Krebs würdigte Wolfgang Frey als einen von 60 „Übermorgenmachern“.

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