Zukunftsweisende Sanierung denkmalgeschützter Altbausubstanz (10/15/2010 07:00:00 AM)

DBU stellte auf Fachtagung neuen Förderschwerpunkt vor
Experten nennen energieeffiziente Maßnahmen am Denkmal "ein schwieriges Thema". Der Bedarf nach Vernetzung ist deshalb groß: Rund 120 Vertreter aus Forschung, Denkmalpflege, Architektur und Bildungseinrichtungen trafen sich bei der Konferenz "Zukunftsweisende Sanierung denkmalgeschützter Altbausubstanz". Die Tagung fand am 14. und 15. September 2010 im Zentrum für Umweltkommunikation (ZUK) der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück statt und eröffnete einen gleichnamigen Förderschwerpunkt. Rund 20 Experten referierten zu politischen Rahmenbedingungen, Aspekten der Baukultur, Energieeffizienz und des Denkmalschutzes. Anhand bereits realisierter Förderprojekte im Kontext "Denkmal und Energie" konnte ein Einblick in die laufende Fördertätigkeit gegeben werden.

Nur drei Prozent aller bewohnten Gebäude in Deutschland sind Denkmäler. Und dennoch: "Das Erreichen der Klimaschutzziele setzt einen Beitrag der Altbauten voraus", sagte DBU-Generalsekretär Dr. Fritz Brickwedde in seiner Eröffnungsrede. Im Rahmen des neuen Förderschwerpunktes wolle die DBU einen Konsens zwischen Denkmalpflege, Klimaschutz und Baukultur herbeiführen und damit zur Versachlichung eines "schwierigen Themas" beitragen. Experten sehen Forschungsbedarf vor allem bei der Erprobung denkmalgerechter Materialien.

Erfahrungen mit der energetischen Sanierung von Denkmälern konnten im Rahmen von DBU-Projekten bereits gesammelt werden. "So wurden im Fachreferat Architektur und Bauwesen 25 Projekte mit rund 2,5 Millionen Euro gefördert", berichtete Brickwedde.

Gelungene Einzelbeispiele von Sanierungsmaßnahmen an Denkmälern erhielten bislang aber eine noch zu geringe Aufmerksamkeit. Mit einem neuen Förderschwerpunkt "Zukunftsweisende Sanierung denkmalgeschützter Altbausubstanz" wolle die DBU dazu beitragen, modellhaften Vorhaben eine Plattform zum Wissensaustausch zu geben. Am konkreten Objekt sollten bei den Sanierungsmaßnahmen innovative Technologien zum Einsatz kommen. Zudem werde Wert gelegt auf integrale Planungsprozesse und Maßnahmen zur Verbreitung von "Best-Practise"-Ansätzen. Ab 2011 sollen die ersten Projekte genehmigt werden.

Gundelach: "Denkmal- und Klimaschutz nicht gegeneinander ausspielen"

Stellen Denkmalpflege und Klimaschutz tatsächlich einen Widerspruch dar? Das war das Leitthema der Tagung. Experten berichteten, dass in der Praxis Kompromisse zwischen einem der Denkmalpflege und Baukultur verpflichteten, bewahrenden Anspruch und dem einer möglichst umfassenden Sanierung schwer zu finden seien.

Dr. Herlind Gundelach, Präsidentin des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz und Hamburger Senatorin für Wissenschaft und Forschung, forderte die Anwesenden auf, Denkmal- und Klimaschutz "nicht gegeneinander auszuspielen", auch angesichts der politischen Aktualität des Themas. "Die Bundesregierung will die Zahl der zur sanierenden Altbauten verdoppeln", sagte sie. Sie zeigte sich besorgt, dass denkmalpflegerische Belange dabei zu kurz kommen könnten: "Vielerorts ist das historische Erscheinungsbild unserer Städte bedroht." Dabei verwies sie auf das Beispiel Hamburg: "Die Stadt des Backsteins droht ihr Gesicht zu verlieren."

Dr. Wolfgang Preibisch, Ministerialdirigent a. D. vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, fügte dem hinzu: "Denkmalgeschützte Gebäude müssen attraktiv und bewohnbar bleiben. Deshalb gilt es, die Heizkosten niedrig zu halten."

Bettina Herlitzius, Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecherin für Stadtentwicklung, forderte, Maßnahmen der energetischen Sanierung für den Altbaubereich stärker auszubauen und politisch zu fördern – etwa durch neue Wärmeschutzstandards. Ausnahmen für Denkmäler solle es jedoch weiterhin geben. Einen verfolgenswerten Beitrag könne die energetische Optimierung ganzer Stadtquartiere als Verbundlösung darstellen. "Das Energieeinsparpotenzial des Modells der Stadtquartiere ist um 40 Prozent höher als bei Projekten am einzelnen Gebäude", berichtete Herlitzius.

Passivhausstandard kann für einzelne Objekte erreicht werden

Welche technologischen Anwendungen bei energetischen Sanierungen bereits möglich sind, darüber gaben Beispiele aus der Praxis Auskunft. So könne laut dem Architekten Dr. Burkhard Schulze Darup ein dem Passivhausstandard angenäherter Energieverbrauch in Einzelfällen auch bei denkmalgeschützten Gebäuden erreicht werden. "Ein Heizenergieverbrauch von 35 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr ist realisierbar", so Schulze Darup. Welche Maßnahme sinnvoll und denkmalverträglich sei, darüber müsse aber individuell entschieden werden.

Vorbehalte äußerten Vertreter der Baukultur: "Ich warne davor, wenn technische Spielereien Überhand gewinnen vor der tatsächlichen Nutzung", betonte Prof. Michael Braum, Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung Baukultur in seinem Vortrag.

Diskutiert wurde vor allem das Thema Wärmedämmverbundsysteme, das von vielen Seiten sehr kritisch gesehen wurde. "Der Denkmalcharakter einer Stuckfassade droht verloren zu gehen, wenn man das Gebäude mit einem Wärmedämmverbundsystem einpackt", nannte Dr. Bernd Vollmar vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ein Beispiel. Er bevorzuge für einen solchen Fall alternative Lösungen wie eine Innendämmung.

Schadensbeispiele aus Lübeck und Görlitz

Auch in Altstädten mit hoher Denkmaldichte wie Lübeck oder Görlitz seien energieeffiziente Maßnahmen am Denkmal möglich, berichteten Vertreter aus der Praxis. Hans Petzold vom Institut für Bauklimatik der Technischen Universität (TU) Dresden stellte ein Projekt an einem barocken Einfamilienhaus in der Görlitzer Innenstadt vor. Bei der Sanierung galt es, denkmalpflegerische und gestalterische Belange in Einklang zu bringen. Hinzu kamen technische Herausforderungen: Auf Basis einer langfristigen Simulation des Gebäudes, inklusive der darauf abgestimmten Anlagentechnik, konnten die Forscher ein Konzept entwickeln, welches den Bestand dauerhaft sichert. "Bei der Sanierung galt es, Feuchteschäden zu bekämpfen", sagte Petzold. Die Maßnahme umfasste eine neue Innendämmung, die mit Feuchtigkeitssensoren ausgestattet wurde. "Die Sensoren geben Aufschluss darüber, wie sich das Raumklima verändert", erklärt Petzold. Das heutige Resultat: "Modellhaft konnten wir den Verbrauch von Primärenergie-, Trinkwasser- und Abwasser optimieren", so Petzold.

In engen Altstadtgassen sei zudem das Thema Brandschutz wichtig, sagte Ulrike Steinfatt vom Lübecker Sanierungsträger Trave mbh. In der Hansestadt seien Salzschäden auf Grund der Lage am Meer häufig. "Ein Vorgehen nach ‚Schema F’ schließen wir aber für energetische Sanierungen aus", ergänzte Steinfatt. Übliche Dämmmöglichkeiten ließen sich für die eng aneinanderliegenden verwinkelten Häuser im Lübecker Gängeviertel nicht verwirklichen: weder an den Außen- noch an den Innenfassaden, an denen jahrhundertealte Malereien zu finden sind. "Wir empfehlen die Nutzung entsprechend anzupassen. Eine nicht beheizbare Diele kann zum Beispiel als Stauraum und Kellerersatz dienen", so Steinfatt.

Vor gut gemeinten energetischen Sanierungsvorhaben warnte auch Bettina Stöckicht vom Fachwerkszentrum Quedlinburg. "Fehler bei Planung und Ausführung sind die häufigsten Ursachen von Bauschäden", berichtete Stöckicht. Dabei berief sie sich auf die Ergebnisse eines Sanierungs- und Monitoringprojektes des Fachwerkszentrums. Schäden an rund 100 Fachwerken in ganz Deutschland konnten dabei systematisch erfasst werden. "Bei Bauherren besteht oftmals eine große Unsicherheit hinsichtlich der Frage, welche Materialien sich zur Dämmung eignen", sagte Stöckicht. Der populärwissenschaftliche Leitfaden "Hilfe, ich habe ein Fachwerkhaus", den sie vorstellte, könne eine erste Hilfestellung sein.

Fortbildung: Integrale Planungsprozesse liefern Mehrwert

Intensiv diskutierten die Experten auch das Thema Aus- und Weiterbildung. Prof. Rainer Pohlenz, Inhaber des Lehrstuhls für Baukonstruktion und Bauphysik an der Hochschule Bochum, berichtete, starre Denkmuster und Vorurteile erschwerten vielen Architekten und Planern den Zugang zum Thema energetische Sanierung. Das Feld beschränke sich aber nicht auf die "starren Bilder in den Köpfen". Er zählte einige davon auf: die "natürlichen Baustoffe", das "Drohwort Wärmebrücke" oder das "Mysterium der Wasserdampfdiffusion". Pohlenz ermahnte dazu, solche Begriffe zu hinterfragen und bei Sanierungsmaßnahmen wieder stärker auf bauphysikalische Grundlagen zu achten.

Fachkompetenzen würden allzu schnell übergangen, berichteten die Experten aus der Praxis. "Bauherren denken oftmals, die Sanierung von Altbauten sei wenig anspruchsvoll und es genüge, sich an einen Handwerker zu wenden. Ein Planer wird erst gar nicht kontaktiert", berichtete Sabine Djahanschah, Referentin für Architektur und Bauwesen der DBU. Albert Schett vom Denkmalschutzamt Hamburg fügte hinzu: "Die Bauherren vertrauen bei der Auswahl der Baumaterialen zu stark der Industrie und zu wenig auf unabhängiges Fachwissen".

Ein weiteres Problem: Das Thema energetische Sanierung müsse in der Planung mit der Barrierefreiheit und dem Brandschutz kombiniert werden, berichtete Jürgen Klemisch von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Er forderte, Praxisbezug und Machbarkeit stets im Auge zu behalten: "Wenn wir all das gleichwertig umsetzen würden, könnten wir unsere Denkmäler nicht erhalten".

Das Fazit der Veranstaltung lautete, dass Modellprojekte notwendig seien, um die Zwänge knapper Planungszeiträume zu überwinden. "Das Know-how als Mehrwert kann am besten in Form von Modellprojekten vermittelt werden", sagte etwa Prof. Anette Rudolph-Cleff, Inhaberin des Lehrstuhls für Entwerfen und Stadtentwicklung an der TU Darmstadt. Die anwesenden Experten mahnten, dass rein ökonomische Betrachtungen bei der Erhaltung von Denkmälern zu kurz greifen würden. Nach ökologisch und ökonomisch beispielhaften Lösungen suchen, mag somit zwar ein schwieriges Thema sein – der Bedarf nach geeigneten Vorbildern ist jedoch groß.

Die Präsentationen der DBU-Fachtagung "Zukunftsweisende Sanierung denkmalgeschützter Altbausubstanz" finden sich im pdf-Format zum Download unter www.dbu.de/550artikel30397_135.html.

Weiterführende Informationen:
• EnEV und Bauen im Bestand: Energieeffiziente Gebäudeinstandsetzung Jürgen Gänßmantel, Gerd Geburtig, Frank Eßmann, 2005, Huss-Medien, ISBN 978-3-345-00873-3
• Leitfaden "Hilfe, ich habe ein Fachwerkhaus": www.deutsches-fachwerkzentrum.de/leitfaden/kap_003_00.html

www.dbu.de