Wie sich das letzte Loch in der Gebäudedämmung schließen lässt (09/01/2010 07:00:00 AM)

Brennpunkt Industrietor: Trotz EnEV öffnen unklare Dämmwertangaben und Fehlverhalten der Energieverschwendung noch Tor und Tür
Dickere Wände, isolierte Dachstühle, Spezialfenster – spätestens seit der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009 ist die Dämmung auch im Industriebau zum großen Thema geworden. Nur der Schwachpunkt Tor steht immer noch offen. Lange Zeit wurden Industrietore in der energetischen Planung nur als Verlustfaktor betrachtet und mit anderen Maßnahmen ausgeglichen. Inzwischen gibt es Konstruktionstechniken und Materialien, mit denen auch Tore gute bis sehr gute Dämmwerte erreichen können, allerdings werden diese Werte uneinheitlich angegeben. Pauschalwerte etwa auf 25 m² sind nicht aussagekräftig, da die Dämmwirkung vom Verhältnis Fläche zu Rahmen abhängt. Was die moderne Tortechnik tatsächlich leistet, lässt sich jeweils nur am konkreten Fall festmachen.

Um 30 Prozent hat die EnEV 2009 die zulässige Obergrenze für den Jahres-Primärenergiebedarf von Neubauten gesenkt. "Die Wärmedämmung der Gebäudehülle muss somit durchschnittlich 15 Prozent mehr leisten", erklärt Dr. Meinolf Gringel, Leiter der Prüfstelle Kälte-, Klima- und Wärmetechnik bei der DMT GmbH & Co. KG, einer Tochter der TÜV Nord AG. "Dadurch steigen die Anforderungen an die Tore und der messtechnische Nachweis der U-Werte rückt weiter in den Fokus." Grund dafür ist, dass jetzt einzelne Gebäudeteile hinsichtlich ihres Dämmwerts berechnet werden, während früher nur die Richtvorgaben eines Referenzgebäudes eingehalten werden mussten. Schlechte Dämmung konnte etwa durch effizientere Gebäudetechnik aufgewogen werden. Inzwischen liegen konkrete Vorgaben für Außentüren vor: bei einer Solltemperatur von über 19°C im Raum ein U-Wert von 1,8 W/m²K, bei Temperaturen zwischen 12 und 19°C ein Wert von 2,9 W/m²K. "Der Wärmewiderstand eines vollständigen Tores muss nach Anhang B der DIN EN 12428 geprüft oder berechnet werden", so Gringel. "Die Angaben der Hersteller dazu erhalten im Kontext der EnEV auch eine juristische Dimension, wenn der Energieverbrauch nicht mit den rechnerisch ermittelten Daten übereinstimmt und das Tor als Schwachstelle ausgemacht wird."

Unsichere Bewertungsgrundlage für den Dämmwert
Eben in diesen U-Wert-Angaben liegt aber die große Problematik der Hersteller, denn die Dämmleistung eines Tores hängt entscheidend von der jeweiligen Konstruktion und Gestaltung ab. Der Energieverlust setzt sich zusammen aus dem Wärmestrom durch das Torblatt und der Wärme, die durch Führungen, Rahmen und Dichtungen entweicht. Da der U-Wert des Rahmens in der Regel schlechter ist als der Wert der Füllung, fällt dieses Verhältnis bei kleineren Toren negativer aus: Bei einem 3 x 3 m Tor etwa stehen 9 m² Fläche 12 m Dichtung gegenüber, bei einem 5 x 5 m Tor sind es dagegen 25 m² Fläche und nur 20 m Dichtung.

"In Prospekten wird deshalb oft mit einem Wärmewiderstand geworben, wie er sich bei einem 25 m² großen Tor ergibt. Bei einem kleineren Tor gleicher Bauart sähen die Werte jedoch ganz anders aus", warnt Michael Janssen, Geschäftsführer der auf Industrietore spezialisierten Bothe-Hild GmbH. Um diesen Unsicherheitsfaktor für die Planer zu beseitigen, gibt das Torbauunternehmen Dämmwerte immer genau für das jeweilige Tor an, wie Janssen erklärt: "Zuerst muss daher die exakte Spezifikation des Tores stehen, also die Größe und das Verhältnis der Verglasung zu anderer Füllung und zum Profil. Dann kann anhand der U-Werte der einzelnen Materialien der gesamte Dämmwert errechnet werden."

Mehrfachverglasung senkt Heizkosten
Um einen möglichst guten U-Wert zu erhalten, spielt vor allem die Verglasung eine wichtige Rolle. Mit Blick auf die derzeitige Torbaupraxis liegen etwa 80 % der Energiesparmöglichkeit im Glas und nur 20 % im Profil des Tores. "Im modernen Industriebau haben isolierte Wand- und Dachfläche heute U-Werte von 0,2 bis 0,3 W/m²K. Gut gedämmte Fenster liegen bei 1 bis 1,5 W/m²K", erklärt Marcus Cremer, Vertriebsleiter der Torglas GmbH. "Ein vollverglastes Tor in einer Größe von 5 x 5 Metern weist dagegen einen U-Wert von 4,2 W/m²K auf. Alleine durch die Fläche dieses Tores gehen in einem Winter mit 200 Heiztagen bei einer mittleren Temperaturdifferenz von 20°C 10.800 kW Heizenergie im Gegenwert von 1000 l Heizöl verloren." Das entspricht einer CO2-Emission von 2,8 t in jedem Winter. Ein Tor verliert damit fast ebenso viel Energie wie 500 m² einer herkömmlichen Wandfläche. Häufig geht durch die Fläche der geschlossenen Tore doppelt soviel Heizenergie verloren wie durch die gesamte Gebäudehülle.
 
 

Tore wurden im Industriebau lange als unvermeidliche Lücke in der Gebäudedämmung betrachtet. Mittlerweile gibt es allerdings Materialien und Techniken, die helfen, die Energiebilanz zu verbessern.


Maßstab für die Dämmung ist der U-Wert. Dieser hängt bei Toren vom Verhältnis zwischen Fläche und Rahmen ab. Der gute U-Wert eines großen Tores ist daher nicht automatisch auf eine kleinere Ausführung übertragbar.


Automatische Schließmechanismen verkürzen die Offenhaltezeiten und sparen so Energie. Um Unfälle mit den schnell laufenden Toren zu verhindern, überwachen Sensoren den Bereich unter dem Tor.
Fotos: Bothe-Hild GmbH


Die 28 mm dicke Clima-Dreifachverglasung von Torglas erreicht einen U-Wert von 1,9 W/m²K und trägt so erheblich zur Gebäudedämmung bei.
Foto: Torglas GmbH
Das Team der Torglas GmbH entwickelt seit 18 Jahren moderne Verglasungen für Industrietore und bietet inzwischen eine spezielle "Clima"-Serie an. Mit diesen Produkten lassen sich ohne weitere konstruktive Maßnahmen die U-Werte solcher Tore um bis zu 50 % reduzieren. Der U-Wert eines 5 x 5 m großen Tores verringere sich etwa durch den Einsatz der neuen "climatop"-Verglasung von 4,2 W/m²K auf 2,2 W/m²K, erläutert Cremer. Das spart in einem Winter die Heizleistung von fast 500 l Heizöl und die Emission von fast 1,5 t CO2 ein. Je nach Gebäudekonfiguration kann der Gesamtenergiebedarf so um bis zu 30 % gesenkt werden. Der Mehraufwand für diese Verglasung amortisiert sich schon nach etwa drei Jahren. "Die mögliche Einsparung ist deutlich höher als etwa beim Einsatz der nächst besseren Wandverkleidung, wo es beispielsweise nur um Unterschiede von 0,06 W/m²K geht."

Ungewolltes Dauerlüften am Fabriktor
Abgesehen vom verwendeten Material und dessen U-Wert stellt auch die verwendete Technik einen entscheidenden Faktor für die Energieeinsparung an Industrietoren dar. Stichwort hierbei ist der automatische Schließmechanismus. "Tore, die von Hand bedient werden, bleiben in der Praxis oft offen stehen", erläutert Torbauspezialist Janssen von Bothe-Hild. "Jedes Mal aus dem Stapler aus- und einzusteigen dauert vielen Arbeitern zu lang. Ein offenes Tor allerdings dämmt überhaupt nicht." Schon ein normales, weit geöffnetes Fenster führt zu einer Luftaustauschrate von etwa 20/h, was bedeutet, dass in drei Minuten die gesamte Raumluft durch Außenluft ersetzt wird. Die Austauschraten von geöffneten Industrietoren sind entsprechend höher und ziehen hohe Heizkosten nach sich, denn die kalte Luft muss immer wieder erwärmt werden. "Bei manueller Schließung stehen Tore im Durchschnitt zwei bis zehn Minuten offen. Mit einem automatischen Schließmechanismus dauert die Offenhaltezeit nur 30 Sekunden oder weniger."


Bothe-Hild verwendet dazu ein Schnelllauf-Antriebssystem in Verbindung mit einer Frequenzumrichtersteuerung. Ein 4 m hohes Tor öffnet sich damit ferngesteuert innerhalb von 4 Sekunden und schließt sich innerhalb von 4 bis 6 Sekunden. Um bei diesen Geschwindigkeiten Unfälle zu vermeiden, wird das System mit einem Scanner an der Unterkante und einer Torabschaltung gekoppelt. Die optischen Sensoren überwachen voreilend die Gefahrenstelle. "Inzwischen stellen wir fest, dass die Planer immer mehr auf Energieverluste achten", so Janssen. "Rund 70 % der Bestellungen, die bei uns eingehen, enthalten auch die Öffnungs- und Schließautomatik. Gleichzeitig sind die Ansprüche an den U-Wert höher geworden. Die EnEV und die staatliche Förderung für Nachhaltiges Bauen haben in diesem Bereich viel Bewusstsein geschaffen."


Die DMT GmbH & Co. KG bietet Ingenieur- und Prüfdienstleistungen in den Bereichen Bergbau und Lagerstättenerkundung, Kokereitechnik, Bauwesen, Maschinen- und Anlagentechnik sowie Produkt- und Gebäudesicherheit an. Darüber hinaus entwickelt und baut das Unternehmen Messsysteme für den Einsatz in den unterschiedlichsten Branchen und stellt Prüf- und Testprodukte her. DMT verfügt über drei akkreditierte Prüflaboratorien und 16 behördlich anerkannte Fachstellen für Sicherheit sowie 75 anerkannte Sachverständige. Das Unternehmen ist seit 2007 eine Tochter der TÜV Nord AG.
Die Bothe-Hild GmbH entstand 2007 durch den Zusammenschluss der beiden Unternehmen Bothe-Tore und Hild Tore. Hauptsitz der Firma ist Herborn, eine weitere Produktionsstätte befindet sich in Luckenbach. Insgesamt beschäftigt Bothe-Hild circa 140 Mitarbeiter. Die Produktpalette des Unternehmens reicht von Sektionaltoren, Rolltoren, Rollgittern und Deckenfalttoren bis zu Hubstaffel- und Schiebefalttoren. Ebenso zum Sortiment zählen Schnelllauf- und Garagentore. Das Hauptgeschäftsfeld liegt im Bereich der Industrietore mit einer Größe von bis zu 200 m². Auch spezielle Kundenwünsche und individuelle Anpassungen werden von den Entwicklungsexperten des Torbauers geplant.

Die Torglas GmbH zählt heute zu den führenden Anbietern von Füllungen und Verglasungssystemen für Tore. Das Unternehmen mit Sitz in Dillenburg arbeitet ständig an neuen Verbesserungen und Innovationen in diesem Bereich. Zum Sortiment gehören Wärmedämmscheiben in Form von Mehrfachverglasungen und gasgefüllten Scheiben mit U-Werten von bis zu 1 W/m²K ebenso wie extrem kratz- und bruchfeste Verglasungen. Eine Besonderheit von Torglas sind die möglichen Größen der Scheiben, die Spannweite reicht bis zu 6 m Länge und 5 m² großen Flächen.



Mehr Info:

DMT GmbH & Co. KG
Am Technologiepark 1, 45307 Essen
Tel: 0201 172-01, Fax: 0201 172-1462
E-Mail: dmt-infodmt.de
Internet: www.dmt.de

Bothe-Hild GmbH
Auf den Lüppen, 35745 Herborn
Tel: 02772 50 09-0, Fax: 02772 50 09-150
E-Mail: info@bothe-hild.de
Internet: www.bothe-hild.de

Torglas GmbH
Industriestrasse 26, 35684 Dillenburg (Frohnhausen)
Tel: 02771 330 30-10, Fax: 02771 330 30-11
E-Mail: mail@torglas.com
Internet: www.torglas.com