ZDH-Präsidium für Bauoffensive (12/21/2001)

Eine "Bauoffensive" ist nach Ansicht des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) dringend geboten. Vor dem Hintergrund des dramatischen Konjunktureinbruchs in der Bauwirtschaft verabschiedete das ZDH-Präsidium jetzt eine Acht-Punkte-Resolution mit Vorschlägen, die kurzfristig zur Belebung der Situation und Beschäftigungslage am Bau beitragen können.



Acht-Punkte-Papier des ZDH-Präsidiums zur "bauoffensive"


1. Infrastrukturoffensive

Nach dem Bundeshaushaltsplan 2002 markieren die Investitionen nur noch einen Anteil von 11,4 Prozent an den Gesamtausgaben. Dies ist der niedrigste Stand in der Nachkriegsgeschichte. Allein die Ausgaben für Baumaßnahmen sinken 2002 gegenüber dem Vorjahr um 5,6 Prozent. Eine Folge dieser Entwicklung sind erhebliche Defizite in der öffentlichen Infrastruktur. Des Weiteren tragen die rückläufigen öffentlichen Investitionen nicht nur des Bundes, sondern auch auf Landesebene sowie bei den Kommunen in großem Umfang zur Krise der Bauwirtschaft und zu den daraus resultierenden Konsequenzen am Arbeitsmarkt bei.

Vor diesem Hintergrund ist eine Infrastrukturoffensive geboten, die für einen beschleunigten Ausbau der Schienenwege, der Autobahnen, der Bundes- und Landstraßen sowie der kommunalen Infrastruktur in den neuen Bundesländern sorgt und so die Baunachfrage stärkt.

Anstatt die Möglichkeiten im subventionierten zweiten Arbeitsmarkt über ABM, SAM und das mit dem Job-Aqtiv-Gesetz neu geschaffene Instrument "Beschäftigung schaffende Infrastrukturförderung" mit reglementierenden Auflagen auszuweiten, sollte die öffentliche Beschäftigungsförderung eingeschränkt werden; die Bundesregierung wird darüber hinaus aufgefordert, den im Haushaltsplan der Bundesanstalt für Arbeit für das Jahr 2002 vorgesehenen Bundeszuschuss in Höhe von 2 Mrd. EURO umzuwidmen in zweckgebundene Zuschüsse an die Kommunen für zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen.

Außerdem sollte geprüft werden, inwieweit bisher durch die öffentliche Hand abgewickelte Aufgaben in Form von Betreibermodellen privatisiert werden können. Aufgabenprivatisierungen können dazu beitragen, den ausufernden staatlichen Korridor einzuengen. Bei der Vergabe entsprechender Konzessionen oder Lizenzen sollten Bietergemeinschaften, die durch den Beitritt von Handwerksbetrieben über eine "mittelständische Komponente" verfügen, Präferenzen genießen.

2. Hochbauinvestitionen

Ebenso wie der gesamte öffentliche Bau hat auch der öffentliche Hochbau unter der Finanzschwäche der öffentlichen Gebietskörperschaften zu leiden. Ein wichtiger Konjunkturimpuls für den Hochbaubereich könnte auch hier eine stärkere Einbindung der Privatwirtschaft bei der Realisierung öffentlicher Hochbauten sein. Eine Private Public Partnership (PPP), die im Ausland bereits erfolgreich praktiziert wird, muss so ausgestaltet werden, dass private Betreibermodelle auch einen fairen Wettbewerb für kleine und mittlere Betriebe garantieren. Unter der Voraussetzung, dass dort, wo bei PPP die öffentliche Hand beteiligt ist, selbstverständlich auch die VOB gelten muss, sollten die Chancen der Kooperation genutzt werden. Das ist im Gegenzug eine besondere Herausforderung für das Handwerk, sich in solche Kooperationen verstärkt einzubringen.

3. VOB

Angesichts des Zusammenbruchs des Marktes in der Bauwirtschaft und vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Osterweiterung der Europäischen Union hält das Präsidium des ZDH Maßnahmen für erforderlich, die einen ausgewogenen Wettbewerb zwischen den Anbietern im öffentlichen Auftragswesen gewährleisten. Hierzu gehören in erster Linie die strikte Einhaltung der Vorschriften der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) sowie angemessene Angebots- und Ausführungsfristen. Unverzichtbar ist der absolute Vorrang der Fach- und Teillosvergabe und eine strikte Wahrnehmung der Angebotsprüfungs- und Aufklärungspflicht der öffentlichen Auftraggeber. Qualifizierungs- und Beschäftigungsförderungsgesellschaften dürfen wegen ihres erheblichen Wettbewerbsvorteils nicht länger bei der öffentlichen Vergabe von Bauleistungen berücksichtigt werden.

4. Tariftreuegrundsatz

Eine vergaberechtliche Regelung zur Tariftreue bei öffentlichen Aufträgen kann nach Auffassung des ZDH ein Instrument zur Konsolidierung der Wettbewerbsverhältnisse in der Bauwirtschaft sein. Unabdingbare Voraussetzung ist hierzu eine Befristung sowie eine strikte Kontrolle durch den öffentlichen Auftraggeber sowohl in der Angebotsphase als auch während der tatsächlichen Auftragsdurchführung. Verstöße gegen die Tariftreueverpflichtung müssen mit spürbaren Sanktionen verbunden sein.

5. Neujustierung der Eigenheimzulage

Ein geeignetes Mittel zur Stärkung der Baukonjunktur und Bekämpfung der Schwarzarbeit besteht darin, Bauleistungen durch gezielte Anreize stärker zu fördern. Der ZDH fordert daher eine Neujustierung der Eigenheimzulage, die die derzeitige Förderung stärker an der Vorlage von Handwerksrechnungen ausrichtet und das Handwerk so dem Ziel einer steuerlichen Absetzbarkeit von Bauleistungen näher bringt.

Erstens sollten die Anschaffungskosten für Grund und Boden aus der Antragsbemessungsgrenze von heute 100.000 DM herausgelöst werden. Zweitens ist die erforderliche Antragsgrenze von heute 100.000 auf 200.000 DM zu erhöhen und drittens sollten die Einkommensgrenzen für die Inanspruchnahme der Eigenheimzulageförderung wieder auf ihren ursprünglichen Wert von 120.000/240.000 DM angehoben werden. Es entstehen somit größere Anreize für die Inanspruchnahme legaler Bauleistungsherstellungskosten.

Viertens sollte die Eigenheimzulage auch auf Erhaltungs- und Modernisierungsaufwendungen ausgeweitet werden. Denkbar wäre ein direkter Zuschuss (oberhalb des Mehrwertsteuersatzes) in Höhe von 20 Prozent bis zu einem Höchstbetrag an jährlichen Modernisierungsaufwendungen (z. B. 10.000 DM). Dies würde nicht nur einen konjunkturellen Schub für das Bau/Ausbaugewerbe auslösen, sondern wäre auch geeignet, die Schwarzarbeit gerade im Modernisierungsbereich deutlich zurückzuführen. Eine solche Änderung der Eigenheimzulage könnte kurzfristig umgesetzt werden.

6.

Ermäßigter Mehrwertsteuersatz für arbeitsintensive Leistungen

Erste Erfahrungen aus europäischen Modellversuchen sehen in einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf arbeitsintensive Dienstleistungen ebenfalls ein Instrument zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und Arbeitslosigkeit. Das Präsidium des ZDH hat deshalb bekräftigt, diese Modellversuche intensiv zu begleiten und sich für eine entsprechende Regelung in Deutschland auszusprechen, sofern sich die positiven Auswirkungen auf die Beschäftigung bestätigten sollten. Die Einführung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf arbeitsintensive Dienstleistungen darf allerdings nicht zu einer Erhöhung des allgemeinen Mehrwertsteuersatzes führen. Dies würde in den betroffenen Wirtschaftsbereichen zu weiteren Umsatz- und Beschäftigungsrückgängen führen. Es muss allerdings berücksichtigt werden, dass die Ermäßigung des Mehrwertsteuersatzes für arbeitsintensive Leistungen in Deutschland aus rechtlichen Gründen nicht vor dem 1.1.2004 erfolgen kann, da der europäische Feldversuch laut EU-Kommission bis zum 31.12.2003 verlängert werden soll.

7. Kontinuität der Förderpolitik

In jüngster Vergangenheit sind vermehrt Beispiele aufgetreten, dass Förderprogramme nach Ablauf der Programmperiode nur nach langen und kontroversen Diskussionen fortgeführt (Bsp. Wohnraummodernisierungsprogramm) bzw. Programme, die vom Markt gut angenommen werden, schon nach kürzester Zeit hinsichtlich der Konditionen verschlechtert wurden (Bsp. "Richtlinien zur Förderung von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien").

Diese Planungsunsicherheiten, von denen das Handwerk unmittelbar betroffen ist, gefährdet Arbeitsplätze. Insbesondere die Situation beim Wohnraummodernisierungsprogramm II muss als unbefriedigend eingeschätzt werden. Die bisher vorgesehenen 10 Mrd. DM bis Ende 2002 reichen nicht aus. So wurden für Berlin im Jahr 2001 lediglich Förderanträge berücksichtigt, die bis Mitte Januar diesen Jahres eingegangen waren; Für das kommende Jahr erwartet die KfW, nur Anträge berücksichtigen zu können, die am 02. Januar 2002 eingehen werden. Vor dem Hintergrund des nach wie vor hohen Instandsetzungs- und Modernisierungsbedarfs der Wohnungswirtschaft ist dieser Zustand unhaltbar.

8. Fortsetzung des CO2-Gebäudesanierungsprogramms

Mit dem zu Beginn des Jahres 2001 gestarteten und auf 5 Jahre angelegten CO2-Gebäudesanierungsprogramm hat die Bundesregierung nicht nur einen wichtigen Schritt zur Verstärkung der nationalen Klimavorsorge getan, vielmehr hat sie damit auch einen Beitrag zur mittelfristigen Stützung der seit Jahren krisengeschüttelten Bau- und Ausbauwirtschaft geleistet. Allerdings wird der Sanierungs- und Modernisierungsbedarf im Altbaubestand der neuen Bundesländer auch über das Jahr 2005 hinaus noch sehr hoch sein. Eine Fortsetzung des Programms ist erforderlich. Wünschenswert ist darüber hinaus, dass die im Programm vorgesehenen Bescheinigungen über die realisierte CO2-Einsparung nicht nur von als Energieberater zugelassenen Ingenieuren erbracht werden kann, sondern auch von den geprüften Gebäudeenergieberatern im Handwerk. Diese mit Spezialkenntnissen fortgebildeten Handwerker sind in besonderer Weise qualifiziert, die Bescheinigungen zu erstellen.



Quelle: ZDH