Solarvalue will in Slowenien eine Produktion für Kalziumkarbid auf Solarsilizium umrüsten (11/25/2006 07:00:00 AM)

Die 2005 gegründete Solarvalue AG wollte eigentlich nur eine Solarfabrik betreiben, also Module und vielleicht noch Zellen herstellen. Wie bei allen Neulingen in der Photovoltaikbranche folgte die Ernüchterung umgehend: Die benötigten Vorprodukte sind auf Grund des Siliziummangels nicht verfügbar. Doch bei Solarvalue ließ man nicht locker und will jetzt selber in die Siliziumproduktion einsteigen. Mit John Mott haben sie einen alten Hasen am Start, der vor über 20 Jahren bereits Solarsilizium bei dem amerikanischen Modulhersteller Solarex produziert hat.

 
Mott steht vor dem stillgelegten Lichtbogenofen »M5«, einem haushohen Monstrum in einer dreckigen Fabrikhalle im slowenischen Ort Ruse. »Ich musste erst mal nachschauen, wo das überhaupt liegt.« Auf der Webseite der CIA habe er dann ausreichend erfreuliche Informationen über das Land gefunden, in dem sich der Amerikaner auf Wunsch seines neuen Arbeitgebers künftig sehr oft aufhalten wird: »Das klang alles gut, wir haben keine Truppen hier.«

Mott arbeitet jetzt als Finanzvorstand der Solarvalue d.d., einer Tochter der deutschen Solarvalue AG. Seine Aufgabe: Umbau einer Fabrik für Ferrolegierungen und Kalziumkarbid aus dem Jahr 1918 in eine moderne Solarsiliziumproduktion. Und mit dem Ofen »M5« will er anfangen.

Wenn man sich das dreckige Monstrum anschaut, den Müll und die zerbrochenen Fensterscheiben, dann ist es schwer, sich hier die Produktion eines Stoffes mit der sagenhaften Reinheit von 99,9999 Prozent vorzustellen - mithin von Solarsilizium. Doch wenn es einer schaffen kann, dann John Mott. Denn Mott hat das alles schon einmal gemacht. Während heutzutage Silizium für die Photovoltaikindustrie fast ausschließlich mittels des so genannten Siemens-Prozesses hergestellt wird - einem aufwändigen und teuren Verfahren, das weltweit derzeit nur wenige Chemiekonzerne beherrschen - gab es in der Jugend der Photovoltaik bereits alternative Ideen.

Siemens und Solarex stellten Anfang der 1980er Silizium für Solarzellen selbst her
Man nahm hochreinen Quarz (Siliziumdioxid) als Ausgangsmaterial, der dann im Lichtbogenofen um den Sauerstoff erleichtert wurde. Zurück blieb reines, metallurgisches Silizium, das dank der Qualität der verwendeten Rohstoffe und des Produktions-
equipments anschließend nicht mehr großartig gereinigt werden musste. Siemens zog daraus sogar Einkristalle, die zu monokristallinen Solarzellen verarbeitet wurden.



Zurück zu den Wurzeln: John Mott hat Anfang der 1980er Jahre bei Solarex Solarsilizium hergestellt, das auch zu Solarzellen
verarbeitet wurde. Jetzt möchte er das Verfahren in großem Maßstab bei Solarvalue aufl eben lassen.

Bildquelle:
Solarvalue
Bei Solarex wurden aus dem selbst hergestellten Silizium multikristalline Solarzellen gefertigt. Die Wirkungsrade der so produzierten Solarzellen lagen auf der Höhe der Zeit - sie waren weder bei Solarex noch Siemens von den Zellen aus Halbleiter-Silizium zu unterscheiden.

Ansätze nach wenigen Jahren eingemottet
Beide Firmen haben die Ansätze aber nach wenigen Jahren eingemottet. Bei Siemens glaubte man den Versprechungen der Dünnschichtforscher und gab der kristallinen Technologie keine langfristigen Chancen mehr, zumal man mit den Lizenzen für den Siliziumreinigungsprozess mittels Abscheidereaktoren gutes Geld verdiente und ohnehin keine Ambitionen besaß, den eigenen Kunden als Siliziumhersteller Konkurrenz zu machen. Und bei Solarex passte das Produktionsvolumen für Silizium nicht zu den damals viel kleineren Produktionskapazitäten für Zellen und Module.

Bei Siemens waren die Pioniere Hubert Aulich und Friedrich-Wilhelm Schulze, heute Vorstände der PV Silicon AG in Erfurt. Bei Solarex war es John Mott. Während Aulich und Schulze der Photovoltaik treu blieben, widmete sich Mott ganz dem metallurgischen Silizium und kehrte so der Photovoltaik den Rücken. Bis Februar 2006.

Fabrik für Ferrolegierungen und Kalziumkarbid in Ruse
Solarvalue trat in Motts Leben über einen aufgeregten Anruf seines alten Bekannten Julio Bragagnolo, Präsident der NPC America Corporation, einem Hersteller von Produktionsequipment für die Solarindustrie. Bragagnolo - inzwischen parallel Technikvorstand bei Solarvalue d.d. - hatte für Solarvalue in Slowenien eine zum Verkauf stehende Fabrik für Ferrolegierungen und Kalziumkarbid entdeckt, die TDR-Metalurgija d.d. in Ruse, etwa eine halbe Autostunde von der österreichischen Grenze entfernt. Von den einst 2.200 Mitarbeitern gibt es heute noch 390 bei TDR, der Umsatz liegt bei 35 Millionen Euro, es gibt drei große Lichtbogenöfen, vier wesentlich kleinere Induktionsöfen und ein Labor. Der staatliche Betrieb sollte in gute Hände abgegeben werden, die eine neue Produktpalette mitbringen und so die Arbeitsplätze sichern. Denn die Arbeitslosigkeit liegt in Ruse bei 16 Prozent. Bragagnolo wollte jetzt von Mott wissen: Kann man mit den Öfen Silizium produzieren?

Solarvalue war da bereits gehörig unter Zugzwang. Die im Juni 2005 von Karoly Horvath gegründete Firma sollte eigentlich schnellstens in den lukrativen Solarmarkt einsteigen - Horvath engagierte hierzu zwei erfahrene Manager von Anderson Capital, Claudia Boehringer als Vorstandsvorsitzende und Joerg Duske als Berater - wurde dann aber unsanft vom herrschenden Siliziummangel ausgebremst. Die heruntergekommene Fabrik in Slowenien bot da einen Hoffnungsschimmer.

Dann ging alles ganz schnell: John Mott gab grünes Licht, Solarvalue gab zusammen mit der slowenischen W&P Profil Ltd. ein Gebot ab, und die letzten Unterschriften waren Mitte Oktober dieses Jahres nur noch Formsache. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart, er dürfte aber nach Schätzungen von Fachleuten eher im unteren zweistelligen Millionenbereich liegen. Zum Vergleich: Eine schlüsselfertige Siliziumproduktion mit 5.300 Tonnen Produktionskapazität - so viel will Solarvalue dort in zwei Jahren produzieren - kostet rund 500 Millionen Euro.

Joint Venture
In wenigen Tagen, maximal Wochen, wird das Joint Venture W&P/Solarvalue im Besitz von 91 Prozent der TDR-Metalurgija d.d. sein (die restlichen Anteile halten zahlreiche Kleinaktionäre, vor allem Mitarbeiter der TDR). W&P, dessen Geschäftsleiter Alojz Cajnko einen der Öfen für seine Metalllegierungen nutzen will, kennt TDR schon gut und lange. Bevor er sich mit seinem Betrieb zur Produktion von Metallrohren selbstständig machte, hat er vor 25 Jahren in Ruse bei TDR gearbeitet. Und Solarvalue plant in den beiden großen Öfen die Produktion von metallurgischem Silizium, das anschließend in den kleineren Induktionsöfen soweit gereinigt wird, bis sich daraus Solarzellen herstellen lassen. »Wir wollten nach Amerika reisen und haben eine Mondreise fertig«, beschreibt Duske das Gefühl, jetzt in die Siliziumproduktion einzusteigen, um letztlich doch nur an Solarmodule zu kommen.

So ganz vollendet ist die Reise allerdings noch nicht. Zwar lässt sich mit den dort vorhandenen Lichtbogenöfen durchaus metallurgisches Silizium produzieren. Bis das Endprodukt aber die benötigte Reinheit aufweist, ist es noch ein weiter Weg. Das weiß auch John Mott, der deshalb erst einmal mit nur 20 Prozent für die Solarzellenproduktion geeignetem Silizium rechnet, die restlichen 80 Prozent sollen bis auf weiteres als qualitativ hochwertiges metallurgisches Silizium zum Beispiel an die Aluminiumindustrie verkauft werden.

Produktionsprozess begutachtet und als machbar eingestuft
Der Produktionsprozess wurde von dem externen Siliziumexperten Ted Ciszek begutachtet und in einer Expertise als machbar eingestuft. 30 Millionen ist Solarvalue der Versuch wert, den eingemotteten Lichtbogenofen M5 zu reaktivieren und den Ofen M1 umzurüsten. Bereits im März 2007 soll das erste Silizium produziert werden - ein abenteuerlicher Zeitplan. Duske zumindest gibt sich optimistisch: »Der Ofen ist wie ein Kochtopf, da kann man jede Suppe drin machen.« Und immerhin wurde 1997 in diesem Ofen bereits einige Monate lang metallurgisches Silizium produziert. Verwendet werden sollen ausschließlich allerbeste, also reinste Zutaten. Hochreiner Quarz, hochreiner Kohlenstoff - so dass das Silizium aus diesem Ofen bereits eine sehr gute Qualität hat. Also letztlich genau der Ansatz, der vor über 20 Jahren bei Siemens und Solarex in dort allerdings viel kleinerem Maßstab verfolgt wurde. »Die Technik ist aber dieselbe«, bekräftigt Mott.

»solar grade« Qualität
Spannend dürfte es aber auf den letzten Metern werden, bis also »solar grade« Qualität erreicht wird. Hierzu soll das Silizium aus dem Lichtbogenofen in mehreren Schritten in den Induktionsöfen gereinigt werden, in dem man zu der Schmelze bestimmte Schlacken beimengt, die unerwünschte Verunreinigungen binden. Durch eine abschließende gerichtete Erstarrung des Materials sammeln sich die letzten Fremdstoffe an der Oberfläche des Blocks und können so abgeschnitten werden - hofft zumindest John Mott.

Denn natürlich ist Quarz ein Naturprodukt, die Verunreinigungen werden in Qualität und Quantität schwanken. Die Solarsilizium-Pioniere wissen, dass man im Zweifelsfall das halbe Periodensystem der Elemente darin finden kann. Und der Kohlenstoff, der zur Reduktion benötigt wird, kann noch so sauber sein - er ist ein unerwünschtes Element im Silizium, das, wenn als Siliziumkarbid vorliegend, nur äußerst schwer zu entfernen ist. Titan, Molybdän, Wolfram, Eisen - all dies ist für gute Solarzellen pures Gift, und Mott muss darauf achten, dass diese Stoffe deutlich unter einem Teilchen pro Million Siliziumatome bleiben.

Derweil entledigt sich ein Arbeiter bei TDR eines Müllsacks in dem Ofen, in dem gerade Kalziumkarbid produziert wird. Mott kann das die gute Laune aber nicht verderben. Als erstes wird er wohl die alten Glasflaschen aus dem »M5« räumen und die zerbrochenen Fenster reparieren.

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Quelle: Solar Info Center