Bei den Analysen zu Themenschwerpunkten der Alleinstellungsmerkmale der Fenster- und Türenbranche ist mir wiederholt das Problem der Produktkosten begegnet. Als eine Alternative zu diesem Problem bietet sich Target Costing (TC) = Zielkostenplanung an. TC ist ein Synonym für "die vom Markt bzw. Kunden erlaubten Kosten" für ein Produkt oder eine Leistung. Der Lebenszyklus eines Produktes beginnt mit der Idee, wird über die Entwicklung und Konstruktion bis zur Erprobung weitergeführt, und nach der Produktionsfreigabe wird für den Markt produziert. In diesen Phasen bis zur Produktionsfreigabe werden, u.a. auch bedingt durch den hohen Anteil von Kaufteilen mit ca. 50% der HK (Profile, Beschläge, Glas, Dichtmittel etc.), bis zu 80% der Herstellungskosten bereits festgeschrieben. Eine Kostenverbesserung (oder auch Wertverbesserung) würde bei Beibehaltung der konstruktiven Ausführung also nur bei 1/5 der Kosten möglich sein und demzufolge das Ziel verfehlen (Nachträgliches Korrigieren am Produkt erfordert beträchtliche Änderungskosten!).
Wenn jedoch ein signifikantes Ergebnis das Ziel der Maßnahme sein soll, so müssen alle Kosten einer kritischen Prüfung unterzogen werden, und das sind Materialkosten und Fertigungslohnkosten und Fertigungsgemeinkosten und Entwicklungs-, Verwaltungs- und Vertriebskosten.
r. | Kostenart | Vollkosten € | Grenzkosten € |
1 | Mat.-Einzel-K. | 103,85 | 103,85 |
2 | Mat.-GMK | 7% v. 1 7,27 | - |
3 | Σ Mat.-Kosten | 111,12 | 103,85 |
4 | Fert.-Lohn-K. | 10,58 | 10,58 |
5 | Fert.-GMK | 116% v. 4 12,28 | 30% v. 4 3,17 |
6 | Σ Fert.-Kosten | 22,86 | 13,75 |
7 | Herstellkosten I | 133,98 | 117,60 |
8 | Vw. u. Vertr.-K. | 57% v. 7 76,38 | - |
9 | GMK v. 8 | 10% v. 8 7,64 | - |
10 | Selbstkosten | 218,00 | - |
11 | Grenzkosten | - | 117,60 |
12 | Listenpreis | 380,40 | 380,40 |
13 | - 40% Rabatt | 152,16 10,24 | 110,64 |
14 | - 45% Rabatt | 171,18 -8,78 | 91,62 |
15 | - 50% Rabatt | 190,20 -27,80 | 72,60 |
16 | - 55% Rabatt | 209,22 -46,82 | 53,58 |
17 | - 60% Rabatt | | 34,56 |
18 | - 65% Rabatt | | 15,54 |
19 | - 70% Rabatt | | -3,48 |
Tabelle 1: Kalkulation in Vollkosten und Grenzkosten (Beispiel)
Bisher ist es so, dass die Kosten additiv aus den Einzelkosten zusammengesetzt werden und so der Werksabgabepreis WAP aus den Selbstkosten ermittelt wurde. Je nach der Höhe des Wiederverkaufsrabatts blieb ein Betrag X übrig (oder auch nicht). Es ist bekannt, dass sich ein möglicher Gewinn aus der Differenz des Erlöses zu den Selbstkosten ergibt. Jegliche Erlösschmälerung geht zu Lasten des Gewinns. Die Fragestellung wird also nicht, wie gehabt, lauten müssen: "Was kostet die Herstellung des Produkts?", sondern "Was darf das Produkt in der Herstellung kosten?".
Bild 1: WAP und Listenpreis verschiedener Hersteller für ein Standardprodukt 1994
In wettbewerbsintensiven Märkten mit hohem Preis- und Kostendruck - und davon kann wahrlich die Rede sein - wird der über die Kosten ermittelte Preis zu Lasten des Gewinns reduziert, um überhaupt noch im Markt zu bleiben.
Um das zu vermeiden, ist mit vorausgehenden Marktanalysen zum Produktwert und zum Wettbewerbsangebot von einem im Markt zu realisierendem Preis auszugehen, und erst dann sind die zulässigen Kosten (Allowable Costs AC) top-down festzulegen.
Target Costing (TC) ist nur eine von mehreren Management- und Controlling-Methoden, die, in Verbindung mit Wertanalyse und Benchmarking, eine neue Denkweise, ausgerichtet auf die Bedürfnisse des Kunden, im Kosten- und Preismanagement bewirken soll.
Als Zielsetzung einer solchen Maßnahme sollte(n)
Bild 2: Der Ablauf des Target Costing
Der nächste Schritt ist die Gegenüberstellung der Herstellung mit den im Unternehmen anzutreffenden Ressourcen. Diese Kosten werden als Drifting Costs (DC) bezeichnet und den Allowable Costs (AC) gegenübergestellt; es sind die im Ist-Zustand erreichbaren Plankosten.
Das Ergebnis sind die Zielkosten (Target Costs TC), die von allen an der Wertschöpfung beteiligten Unternehmensbereichen zu gewährleisten sind.
Das Ergebnis des Kostenüberblicks (Tabelle 2) schließt ein positives Ergebnis bis zu einem Rabattsatz von 45,55% bei den Zielkosten ein. Darüber hinausgehende Rabattsätze tangieren zuerst den Gewinn und darüber hinaus den Deckungsbeitrag.
Nr. | Kostenart | Ergänzung | Zielkosten
ZKA
Vollkosten [€] | Standard-kosten SKA
Vollkosten [€] |
1 | Σ Mat.-Kosten | Einschl. MGK | 52,2% 90,22 | 56,8% 98,14 |
2 | Σ Fert.-Kosten | Einschl. FGK | 9,2% 15,95 | 14,6% 25,16 |
3 | Herstellkosten I | Variable | 61,4% 106,17 | 71,3% 123,30 |
4 | Deckungsbeitrag | Nonvariable | 23,5% 40,62 | 28,7% 49,56 |
5 | Herstellkosten II | Σ [3 + 4] | 84,9% 146,79 | 100% 172,86 |
6 | Gewinn | 10% von [5] | 8,5% 14,68 | - |
7 | Selbstkosten | | 93,4% 161,47 | 100% 172,86 |
8 | Werksabgabepreis | WAP | 161,47 | 172,86 |
9 | Listenpreis | | 296,55 | 296,55 |
10 | - 40% Rabatt | 118,62 € | 16,46 | 5,07 |
11 | - 45% Rabatt | 133,45 € | 1,63 | -9,76 |
12 | - 50% Rabatt | 148,28 € | -13,20 | -24,59 |
13 | - 55% Rabatt | 163,10 € | -28,02 | -39,41 |
|
|
Tabelle 2: Kalkulation in € für ein Standardfenster Einfl. DK Meranti Lasur in Ziel- und Standardkosten
Die nachfolgenden Erläuterungen bilden die Systematik zur Bestimmung der Zielkosten. Kriterien, die nicht vom Kunden honoriert werden, sind nur in den Mindestanforderungen darzustellen.
Kriterienbewertung* der Kundenanforderungen
Klassifi-kation | Kriterien | 01 | 02 | 03 | 04 | 05 | 06 | 07 | 08 | 09 | 10 | Gew.-Faktor | Priorität | % |
01 | Ansprechendes Erscheinungsbild (Dimension, Profil, Farbe etc.) | | 2 | 1 | 0 | 1 | 2 | 1 | 2 | 0 | 1 | 10 | 4 | 11 |
02 | Leichte und sichere Bedienung | 0 | | 0 | 0 | 0 | 2 | 1 | 1 | 0 | 0 | 4 | 5 | 4 |
03 | Stabilität gegen mechanische Beanspruchung | 1 | 2 | | 0 | 1 | 2 | 1 | 2 | 1 | 1 | 11 | 3 | 12 |
04 | Dichtheit gegen eindringendes Wasser und Wind | 2 | 2 | 2 | | 2 | 2 | 1 | 2 | 1 | 1 | 15 | 1 | 17 |
05 | Gute Wärmeschutzeigenschaften nach innen und außen | 1 | 2 | 1 | 0 | | 2 | 1 | 2 | 1 | 1 | 11 | 3 | 12 |
06 | Gute und verzerrungsfreie Sichtbedingungen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | | 1 | 1 | 0 | 0 | 2 | 6 | 3 |
07 | Verbesserte Einbruchshemmung | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | 1 | | 2 | 1 | 2 | 11 | 3 | 12 |
08 | Pflegeleichte Oberflächenbehandlung | 0 | 1 | 0 | 0 | 0 | 1 | 0 | | 0 | 0 | 2 | 6 | 3 |
09 | Langjährige Garantieleistungen | 2 | 2 | 1 | 1 | 1 | 2 | 1 | 2 | | 1 | 13 | 2 | 14 |
10 | Qualitativ gesicherter Einbau nach RAL | 1 | 2 | 1 | 1 | 1 | 2 | 0 | 2 | 1 | | 11 | 3 | 12 |
* Resultierend aus einer endverbraucherorientierten Verbundanalyse (Conjoint-Analyse)
Legende:
2 : 0 = Kriterium 1 ist wichtiger als Kriterium 2
1 : 1 = Kriterium 1 ist gleichgewichtig mit Kriterium 2
0 : 2 = Kriterium 1 ist weniger wichtig wie Kriterium 2
Tabelle 3: Gewichtete Kundenanforderungen an das Produkt Fenster
Aus der Abfrage nach den Produkteigenschaften beim Endabnehmer wurde deutlich, dass das Fenster primär in deren Ansicht dazu dient, eine Bauöffnung nach Bedarf zu öffnen und zu schließen. Es muss in 1. Linie dicht sein gegen Regen und Wind, und es muss eine langjährige Garantie für Material und Funktionalität zugesichert werden. Alle anderen Kriterien fallen dagegen ab. Eine Bestätigung zu diesen Recherchen ist auch in der Analyse "Veränderungen im Fenstermarkt", herausgegeben im Dezember 2001 von der GfK GmbH Nürnberg, nachzulesen.
Im nächsten Schritt sind die einzelnen Produktkomponenten des Fensters den Kriterien gegenüberzustellen und zu gewichten.
Tabelle 4: Gewichtung der Kriterien mit den Komponenten
Bewertungsvorgang: Verteilung der Summe in % (100) der Kriterien auf die Komponenten. Z.B. Kriterium "Verbesserte Einbruchshemmung" durch Komponente Beschlag (70), der Gewichtungsfaktor für "Verbesserte Einbruchshemmung" aus Tabelle 1 ist (11). Die Multiplikation der Komponente Beschlag mit dem Gewichtungsfaktor für verbesserte Einbruchshemmung (11) ergibt den relativen Wert von (770). Die Quersumme der Produktkomponente Beschlag beträgt 2070 Punkte, somit 23% der Punktesumme von 9000 und damit Platz 1 der Komponentenbewertung.
Die Zuordnung der Komponenten in Kosten und Prozent gibt einen Überblick über die Veränderungen in den einzelnen Teilbereichen. Nachdem die Zielkosten feststehen, geht es darum, diese Kosten aufzuspalten, also die Zielkostenspaltung vorzunehmen.
Komponente Material
Holzfenster DK einfl. | SKA
€
(%) | ZKA
€
(%) | ZKI
Index
(ZKA%/SKA%) | Maßnahmen zur
Umsetzung |
Holz Meranti lam.
(11,23 lfd. m a € 3,30) | 38,85
(39,5) | 36,72
(40,7) | 1,03 | Vereinbarung langfristiger, verbesserter Lieferkonditionen |
Glas MIG
(Kv 1,1) | 22,00
(22,4) | 17,50
(19,4) | 0,87 | Neuausschreibung mit veränderten Lieferkonditionen |
Beschlag DK | 20,30
(20,4) | 16,34
(18,1) | 0,89 | Lieferanten-Recherche europaweit mit Komponentenverbesserung |
Sonstiges | 17,00
(17,3) | 19,66
(21.8) | 1,26 | |
Dichtung | (3,1) | (4,4) | (1,4) | Verbesserung der Dichtleistung (Bedienung, Einbruch, Garantie) |
Oberfläche | (4,1) | (5,5) | (1,3) | Verbesserung der Dichte , Härte und Schmutzabweisung |
Verpackung | (3,1) | (3,3) | (1,1) | |
Bef.-Elemente | (1,0) | (1,1) | (1,1) | |
RSS | (2,0) | (2,2) | (1,1) | Konstruktive Änderung |
Glasleisten | (2,0) | (2,1) | (1,1) | |
Silikon | (2,0) | (2,1) | (1,1) | |
Summe € | 98,14 | 90,22 | | |
Prozent % | 100 | 92 | 0,92 | |
Komponente Lohn + LNK
Holzfenster DK einfl. | SKA
€
(%) | ZKA
€
(%) | ZKI
Index | Maßnahmen zur
Umsetzung |
Lohn einchl. LNK mit 37%
(Reduktion der LNK erst in Stufe 2)
Reduktion der Zeitvorgabe von 86,8 Minuten/FE auf 55 Minuten/FE | 25,16
(14,6) | 15,95
(9,2) | 0,63 | Informationstechnische, logistische und organisatorisch/technische Überarbeitung des Layouts |
Komponente DB
Holzfenster DK einfl. | SKA
€
(%) | ZKA
€
(%) | ZKI
Index | Maßnahmen zur
Umsetzung |
Σ Verwaltungs- und Vertriebskosten | 49,56
(30,7) | 40,62
(23,5) | 0,77 | Geschäftsprozessanalyse |
Gehälter | 19,48
(39,3) | 16,51
(40,65) | 1,03 | Gemeinkostenanalyse |
Abschreibungen | 7,73
(15,6) | 6,34
(15,6) | 1,00 | Desinvestition |
Betr. Aufwendungen | 17,74
(35,8) | 13,99
(34,4) | 0,96 | Geschäftsprozessanalyse |
Zinsen etc
. | 4,61
(9,3) | 3,78
(9,3) | 1,00 | Vertrauensbildende Maßnahme bei Banken etc. |
Tabelle 5 :Standard- und Zielkosten der Komponenten
Der Zielkosten-Index resultiert aus dem Verhältnis der Zielkosten in % zu den Standardkosten in % und beschreibt die Relation der Kosten zueinander, bezogen auf den preislichen Unterschied vom Ist- zum Soll-Zustand. Ist der Index 1,0, so ist in beiden Zuständen der Anteil an den Gesamtkosten gleich hoch. Ist der Index > 1,0, so ist eine Verschiebung zugunsten der Komponente vorgenommen worden (Verfahrensverbesserung, Qualitätsverbesserung etc.). Ist dagegen der Index < 1,0, so ist die prozentuale Relation zwischen Ist- und Soll-Zustand überschritten, und es sind einschneidende Maßnahmen zur Kostenreduktion notwendig.
Komponente | Zielkosten € % | Standardkosten € % |
Material | 90,22 €/ 52,2% | 98,14 €/ 56,8% |
Lohn + LNK | 15,95 €/ 9,2% | 25,16 €/ 14,6% |
DB /Verw.-+ Vertr.-K | 40,62 €/ 23,5% | 49,56 €/ 28,7% |
Herstellkosten | 146,79 €/ 85,0% | 172,86 €/ 100% |
Gewinn | 14,68 €/ 8,5% | - |
Kostenreduktion | -11,39 €/ 6,5% | - |
Tabelle 6: Komponentenkosten im Soll- und Ist-Zustand
Soll-Zustand | Ist-Zustand |
| |
Bild 3: Komponenten im Soll- und Ist-Zustand
In der Tabelle 5 sind die Maßnahmen zur Umsetzung im Detail beschrieben. Die Darstellung im Bild 3 verdeutlicht die Veränderungen in den Komponenten und die Ausweisung eines Gewinns im Soll-Zustand und die geplante Kostenreduktion.
Zur Verdeutlichung sind im Bild 4 die Veränderungen in € angegeben.
Bild 4: Kosten der Komponenten im grafischen Vergleich
Die Zielsetzung des TC ist ein Werksabgabepreis von € 161,47, in dem bereits ein Zielgewinn von € 14,68 enthalten ist. Dem gegenüber steht ein Selbstkostenpreis von € 172,86 ohne eingerechneten Zielgewinn.
Direkt vergleichbar sind somit € 172,86 im Ist-Zustand gegenüber € 146,79 im Soll-Zustand.
Im Soll-Zustand ist eine Kostenreduktion von € 26,07 - 15%/FE zu realisieren. Bei 100.000 FE ( ca. 15 Mio. € Umsatz/Jahr) eine Kostenreduktion um 2.607 Tsd. €/Jahr.
Ein wesentliches Merkmal des Target Costing ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit der Entwickler mit dem Vertrieb, mit dem Einkauf, den Produktionsfachleuten und dem Controller. Diese Methode ist die Grundlage sowohl des Target Costing, der Wertanalyse als auch des Benchmarking. Diese Methoden zählen zu den Managementverfahren und basieren auf der Funktionsgliederung der Produkte, die durch Vergleichen von ähnlichen Tätigkeiten und/oder Funktionen zur Ermittlung der besten Methode dann im gesamten Unternehmen umgesetzt werden sollte. In den folgenden Veröffentlichungen der BB werden diese Methoden an praktikablen Beispielen erläutert.
Die Kurzfassung des oben abgehandelten Themas
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