Tönnies verbindet bei neuem Bau Energieeffizienz mit Mitarbeiterzufriedenheit (04/14/2011 07:00:00 AM)

12 cm für den Hauch von Freiheit: Angestellte in modernem Verwaltungsgebäude behalten dank speziell entwickelter Lüftungsklappe den Kontakt zur Umwelt
Die Zeiten von Stoßlüften und gekippten Fenstern scheinen vorbei, inzwischen werden auch in funktionellen Bauten immer häufiger Wärmepumpenheizungen eingesetzt, die ein kontrolliertes Lüftungssystem erfordern. Für viele Angestellte bedeuten Räume mit reiner Festverglasung allerdings eine Belastung, sie fühlen sich eingesperrt – für Bauherren ein Zwiespalt zwischen Energieeffizienz und Mitarbeiterschutz. Der Fleischereikonzern Tönnies legte bei seinem neuen Verwaltungsgebäude in Rheda-Wiedenbrück besonderen Wert auf Nachhaltigkeit: Erdsonden, Luftverteilungssysteme und Wärmerückgewinnungsanlagen reduzieren den Primärenergiebedarf um 80 Prozent. Um seinen Angestellten dennoch Frischluft und den Kontakt nach draußen zu bieten, entwickelte die MKF Metallbaukontor Frankfurt GmbH für den Bau spezielle Lüftungsklappen. Durch ihre schmalen Abmessungen bergen die raumhohen Elemente keine Absturzgefahr. Zudem ermöglicht die spezielle Konstruktion trotz starker Dämmung und verdeckter Beschläge eine leichtgängige Bedienbarkeit.

Schlanke, dominante Glasfelder lassen Licht in das neue Portal-, Verwaltungs- und Sozialgebäude von Tönnies einfallen, das neben Tagungs-, Schulungs- und Aufenthaltsräumen auch ein Fitnessstudio und Umkleidemöglichkeiten für 5.000 Angestellte umfasst. Entworfen wurde der repräsentative Bau von der ATP N+M Architekten und Ingenieur GmbH mit Unterstützung des Ingenieurbüros Tauber Engineering. „Wir wollten dabei den Benutzern dieses Gebäudes die Möglichkeit bieten, nach eigenem Bedarf zu lüften“, erklärt Geschäftsführer Martin Tauber. Hintergrund dafür sei nicht allein die Frischluftzufuhr für die Angestellten gewesen, sondern auch der physiologischen Kontakt zur Außenwelt. „Das beginnt mit Frühlingsdüften und geht bis zum Straßenlärm, der manchmal nötig ist, um sich nicht von der Umgebung abgeschnitten zu fühlen.“ Die Schwierigkeit bestand allerdings darin, dass die entsprechenden Lüftungselemente zum einen leichtgängig und wärmegedämmt, und zum anderen sicher und mit unsichtbaren Beschlägen versehen sein sollten, damit sie sich harmonisch in das Gesamtbild einfügen. „So etwas gab es nicht auf dem Markt“, so Tauber.

Leichtgängig durch Anpassung von Rahmen und Beschlägen

Die Planer orientierten sich für den lichten Durchgang daher an den Bauvorschriften für Treppengeländer, die zur Verhinderung von Abstürzen einen Maximalabstand von 12 cm zwischen den Stäben festsetzen. Gleichzeitig erreichen die Flügel durch die geforderte hochisolierende Ausführung eine Bautiefe von 85 mm. Bei dieser Kombination ergeben sich jedoch Probleme mit dem Aufdrehradius. „Teile des Flügels können mit der im Rahmen liegenden Dichtung oder den Beschlägen zusammenstoßen und sich gewissermaßen verhaken. Der Flügel lässt sich dann nur schwer öffnen“, führt Thomas Schaberger, Geschäftsführer der MKF Metallbaukontor Frankfurt GmbH, aus. Das Unternehmen, das unter dem Markennamen TKI bereits seit Jahren Aluminiumprofile auf dem jeweils neusten Stand der Technik für Fenster und Fassaden entwickelt, wurde deshalb mit der Ausarbeitung einer ganz neuen Lösung nach den Ansprüchen der Architekten beauftragt.
 

Jedes zweite Fenster des neuen Tönnies-Verwaltungsgebäudes wurde mit einer eigens entwickelten Lüftungsklappe ausgestattet, um den Mitarbeitern ein offenes, angenehmes Arbeitsklima und eine Verbindung zur Außenwelt zu bieten.
Quelle: Ahnepohl Metallbau GmbH


Trotz der Schmalheit der kurzen Seiten konnten die Beschläge vollständig verdeckt realisiert werden.
Quelle: Ahnepohl Metallbau GmbH
MKF schloss sich dazu mit der Ahnepohl Metallbau GmbH, die die Klappen produzieren sollte, und den Beschlagsexperten der Roto Frank AG zusammen. „Ein wichtiger Punkt war es, Kollisionen zu verhindern, weshalb wir die Flügelgeometrie und die Verriegelungsteile modifizierten“, erklärt der zuständige Techniker Michael Ahnepohl. Auch die Forderung nach verdeckt liegenden Beschlägen ohne sichtbare Bandrollen stellte eine Herausforderung dar. „Dies erforderte eine raumsparende Befestigung der Bänder. Außerdem galt es, auch die kurzen Kanten des Lüftungselements so zu gestalten, dass sie die verdeckten Beschlagteile aufnehmen können“, so Ahnepohl. Aufgrund der unterschiedlichen notwendigen Anpassungen wurden die Aluminiumprofile schließlich in Sondergeometrie hergestellt. Da die passende Kombination aus Profil und Beschlag ausschlaggebend für das Funktionieren der schmalen Klappen war, wurden auch Veränderungen an den Beschlägen erforderlich, wie Frank Bicknese, Leiter des Produktmarketings AluVision bei Roto berichtet: „Als Basis wurden Serienbauteile der verdeckt liegenden Bandseite Roto AluVision T600 verwendet und so abgewandelt, dass eine minimale Flügelbreite von 185 mm umgesetzt werden konnte.“

Konzeption mit Blick auf Dämmeigenschaften und Flexibilität

Problematisch an der Gestaltung der Lüftungsklappe war zudem das Verhältnis von Höhe zu Breite. Um sicherzugehen, dass die Verglasung nicht bricht, wird für Glas üblicherweise ein maximales Größenverhältnis von 1:10 vorgegeben. Bei den etwa 2,80 m hohen Klappen hätte diese Richtlinie eine Breite von 28 cm erfordert – zu viel, um eine gesonderte Absturzsicherung in Form eines störenden Geländers zu umgehen. Daher wurden die Flügelelemente stattdessen mit Blech gefüllt. „Der positive Nebeneffekt dabei ist, dass so eine scharfkantige Optik entsteht, die ganz dem Stil moderner Architektur entspricht“, erklärt Fassadenplaner Tauber.

Richtwert und interne Vorgabe war bei allen Dämmungsmaßnahmen die EnEV 2009. Im Inneren wurden die Klappen in Hinblick auf das Energiesparkonzept des Verwaltungsbaus mit einer zusätzlichen Dämmung versehen, während die Fenster eine Dreifach-Isolierverglasung erhielten. „Für die Abdichtung zwischen Flügel und Rahmen wurde eine umlaufende Standard-Mitteldichtung aus der hochisolierenden Serie verwendet sowie eine innere Anschlagdichtung, die sonst bei Türen mit flügelüberdeckenden Füllungen eingesetzt wird“, erläutert Ahnepohl. Insgesamt lassen sich damit sehr gute Dämmwerte erreichen. Für die Verglasung neben der Lüftungsklappe liegt der Ug-Wert bei 0,6 W/m²K, für Rahmen und Klappe liegt der Uw-Wert bei 1,0 W/m²K. Die Außenwände, die eine 20 cm dicke Dämmschicht tragen, weisen einen Wert von 0,15 W/m²K auf. Trotz aller nötigen Anpassungen und Abstimmungen der verschiedenen Komponenten blieb das generelle Schema der Lüftungsklappen flexibel; „Der Aufbau konnte relativ einfach gehalten werden“, fasst MKF-Geschäftsführer Schaberger zusammen. „Basis sind vielfach Standardteile. Dadurch lässt sich die Konstruktion ohne Aufwand in jedem beliebigen Maß realisieren.“

Schmales Bauelement lässt weder Wind noch Regen ein

Insgesamt rund 240 Lüftungsklappen wurden in der neuen Tönnies-Zentrale verbaut, fast jedes zweite Fenster ist damit ausgestattet. Die neuartigen Elemente haben aber nicht nur einen funktionalen Nutzen, sondern wirken auch als Gestaltungsmittel, indem sie die strenge Rasterung der Fassade lockern. Gleichzeitig unterstreicht ihre Schlankheit die Längsorientierung des Baus. Hinzu kommt ein spezieller Vorteil der schmalen Flügelkonstruktion: „Durch diesen engen Schlitz können Wind und Regen nicht so leicht in das Gebäude eindringen, wie bei einem normalen Fenster“, so Tauber. Der Ingenieur könnte sich den Einsatz dieser Bauelemente daher sogar für Hochhäuser bis zu einer Höhe von 120 m vorstellen, die ständig starken Winden ausgesetzt sind.

(Weitere Informationen im Internet: www.metallbaukontor.de, www.tauber.de, www.ahnepohl-metallbau.de, www.roto-frank.com)