Monat 07-2002

 


Objekt:Einfamilienhaus mit Stahlskelett, großen Glasflächen und Tonnendach
Ort: Berlin
Architekt:
 
Bauherr:
 
 
Fassaden- und Fensterkonstruktion:
Franz Jechnerer
 
Franz Jechnerer mit Familie
 

Jechnerer GmbH,
Herrieden
 
 
Idyll am Rande der Großstadt

Markenzeichen des auffälligen langgestreckten Hanghauses, das der Architekt Franz Jechnerer am Rande von Berlin für seine Familie gebaut hat, sind das Stahlskelett, die großen Glasflächen und das Tonnendach. Die Längsseite ist nach Süden ausgerichtet.


Am Rande der Hauptstadt Berlin hat der Architekt Franz Jechnerer für sich und seine Familie ein bemerkenswertes Haus gebaut, das sich nahtlos in die Landschaft einpasst. Berlin gleicht einem umgekehrten Hurrikan: Während es im Zentrum gewaltig brodelt und aus den Dutzenden von Riesen-Baustellen ein völlig neues Stadtzentrum entsteht, geht es in den westlichen Randbezirken ruhig und gemächlich zu. Wer etwa in Kladow, im Bezirk Spandau am Glienicker See spazierengeht, merkt, dass sich die Zeiten geändert haben. Weiteres Indiz dafür sind die Häuser an der Uferpromenade. Auffallend hier das Haus der Familie Jechnerer, das sich deutlich nicht nur vom Hang abhebt, sondern auch von der hier sonst üblichen Wochenendhäuschen-Architektur. Seine Markenzeichen sind das Stahlskelett, die großen Glasflächen und das mit einer Aluwelle eingedeckte Tonnendach.

Kein Wunder, dass die Anwohner zunächst verwirrt bis verständnislos reagierten, als das Haus gebaut wurde. "Die Leute fragten sich: Gibt das eine S-Bahn-Station?", erinnert sich Architekt Franz Jechnerer, der dieses Haus mit seiner Frau Maria und seinen Töchtern Saskia und Pia bewohnt. Die Reaktionen haben wohl auch mit der Ausrichtung des Hauses zu tun. "Ich finde es spannender, ein Haus anstatt parallel quer zum Hang zu stellen", erläutert Jechnerer. "So gewinnt es nach vorne mehr Höhe, mehr Kraft." Außerdem kam diese Senkrechtstellung seiner Intention entgegen, "etwas Schlankes und Hohes" zu bauen, "das richtig aus dem Hang herausspringt." Provozieren wollte Jechnerer jedoch nicht, Im Gegenteil, aufgrund der Nähe zum Seeufer suchte Jechnerer "formale Bezüge zu Begriffen wie Bootshaus, Pfahlbau, Sommerhaus." Neben dem Stahltragwerk sollen auch die Platten aus Bootsbausperrholz entsprechende Assoziationen erwecken. Der langgestreckte Hauskörper liegt um rund 30 Grad gedreht auf dem etwa 1000 Quadratmeter großen Grundstück. Energetisch sinnvoll ist diese Drehung des Gebäudes allemal, den so ist die Längsseite genau nach Süden ausgerichtet und konnte komplett verglast werden, um die Sonnen optimal passiv zu nutzen. Dadurch unterbietet das Haus den Niedrigenergiehaus-Standard spielend.

Franz Jechnerer wohnt nicht nur an der Uferpromenade, er arbeitet auch dort. Der Architekt mit zweitem Sitz in Nürnberg hat gegenüber der Nordseite des Haupthauses, in einem separaten, trapezförmig zugeschnittenen Baukörper, sein "Atelier" untergebracht. Dessen Nordseite, die parallel zur Grundstücksgrenze verläuft, ist vollständig verglast, was optimale Lichtverhältnisse fürs Zeichnen schafft. Zwischen Haupthaus und Atelier hat Jechnerer eine Treppe als zentrale Erschließungsachse gelegt. Erklimmt man die Stufen, so erreicht man im Wechsel rechts/links Einliegerwohnung, Atelier und Hauptwohnung. Auf der südlichen Gebäudeseite befindet sich zudem eine weitere steile Treppe für den kleinen Dienstweg. Den südlich vorgelagerten Garten hat Jechnerer auf besondere Weise strukturiert. "Eine Garage stört eigentlich immer das Gesamtbild, also habe ich unsere in den Hang eingegraben, so dass vorne nur eine Tunnelöffnung sichtbar ist." Am bergseitigen Ende der Garage gelangt man durch eine Schleuse ins Haus. Der Clou dieser Anordnung: Vor dem Bad- und Saunabereich im Untergeschoss ist ein kleiner lichtdurchfluteter Hof entstanden, den man nutzen kann, ohne dass man von Nachbarn oder Passanten beobachtet wird. Das durch die Blätter strahlende Sonnenlicht und die Stille erzeugen hier eine herrliche Atmosphäre.

Das gilt auf ähnliche Weise für das Hausinnere. Durch die südliche Glasfront mit ihren markanten Profilen aus Fichtenleimholz fällt das Licht fast ungehindert ins Haus. Dort trifft es auf die hellen glatten Oberflächen der verputzten Wände, der Einbaumöbel, der grünlichen sandgestrahlten Glasplatten und auf das Dunkelgrau des Bodens aus brasilianischem Schiefer. Wie in der umgebenden Natur bestimmen auch im Innern dezent, ohne schrille Töne, die Farben Grün und Braun die Szenerie, so dass zwischen freiem und umbautem Raum eine fast osmotische Beziehung zu bestehen scheint. Unterstützt wird diese atmosphärische Wirkung vom großzügigen Umgang mit dem Raum.

"Eingang und Essbereich werden durch eine zweigeschossige freistehende Wandscheibe abgetrennt", erklärt Jechnerer." Entlang dieser Wandscheibe führt eine Treppe in das Ober- bzw. Untergeschoss. Im Obergeschoss verläuft eine mit Planken belegte Brücke über den zentralen Luftraum. Durch diese Maßnahmen sind Eltern- und Kindertrakt klar separiert, und über dem Essplatz öffnet sich der Luftraum, der oben durch die sanfte Rundung der gewölbten Decke seinen Abschluss findet. Kuschlig-plüschig stand ganz offensichtlich nicht auf der Wunschliste von Jechnerer, der den Innenausbau in Zusammenarbeit mit dem Fürther Innenarchitekten Johannes Noack gestaltet hat. "Mit ihm habe ich schon viel gemacht, in freundschaftlicher Auseinandersetzung", sagt Jechnerer, der den Stil des Gebäudes als "elegant, aber nicht kühl" charakterisiert.

Um diese Wirkung zu erzielen, befolgten beide Planer äußerst diszipliniert das Prinzip der Einheitlichkeit der Materialien und der Farben. "Die auf der Wohnebene fließend angeordneten Bereiche Eingang, Küche, Essen, Wohnen werden nur durch Möbel abgegrenzt, die in freistehende Kuben eingebaut sind", erläutert der Architekt. Diese meist verglasten und hinterleuchteten Möbel finden sich im gesamten Haus wieder, in der Küche ebenso wie in den Kinderzimmern oder dem Elternbereich. Dadurch entsteht ein homogener Gesamteindruck.

Jetzt, da das Haus fertig ist, hat sich die Aufregung gelegt. "Langsam kommen die Leute, und es gefällt ihnen", sagt Jechnerer. "Teilweise klingeln Spaziergänger oder sie fotografieren das Haus." Und der Fernsehsender SAT1 hat das Haus gar als Drehort entdeckt. Kehrt man von diesem Idyll am Glienicker See zurück in die Stadtmitte, ins Zentrum des verkehrten Hurrikans, fragt man sich, was einem (un)wirklicher erscheint: der gigantische, scheinbar nie enden wollende Baustellenkosmos des Regierungsviertels oder die verträumte Naturlandschaft am Rande der Metropole.

 
 
 
 
 
Erdgeschoß:

1 Wohnen
2 Essen
3 Küche
4 Vorraum Büro
5 Toilette
6 Treppe zum Atelier

  


  


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