Monat 12-2006


Politische Historie - wissenschaftliche Zukunft:
Vom Staatsratsgebäude zur Elite-Uni
Wenige Bauwerke können in einer gerade einmal 40-jährigen Geschichte eine derart bewegte Historie nach­weisen, wie das ehemalige Staatsratsgebäude der DDR in Berlin. Um eine neue, dieses Mal unpolitische Nutzung als "European School of Management and Technology" zu ermöglichen, wurde das denkmalgeschützte Objekt auf sensible Weise revitalisiert. Ein Schwerpunkt der mit dem Denkmalschutz und den aktuellen energetischen Anforderungen abzustimmenden Sanierungsarbeiten lag auf der historischen Fassade. Sie wurde - auf Basis modernster Systemtechnik - in den ursprünglichen Gestaltungszustand zurückversetzt.

Berlin, Schlossplatz Nummer 1 - die Adresse deutet bereits die gewichtige Historie des Gebäudes an. Erich Honecker hatte dort sein Büro; Ende der neunziger Jahre tagte in den gleichen Gemäuern das Bundeskabinett, und Ex-Kanzler Gerhard Schröder nutzte das ehemalige DDR-Staatsratsgebäude als provisorischen ersten Amtssitz in Berlin. Der Bundesnachrichtendienst zog später kurzzeitig ein, dann folgten öffentliche Nutzungen in Gestalt von Ausstellungen, Partys und Events.



Blick auf den Haupteingang des Staatsraatsgebäudes mit dem integrierten Portal IV des ehemaligen Schlosses. Sämtliche Fassadenelemente der beidseitig angrenzenden Bauteile wurden auf Basis von Schüco-Systemtechnik im Originalstil aus dem Jahre 1964 nachgebaut und erfüllen aktuelle Energie- und Komfortanforderungen.
 
Zukunft als Elite-Uni
Bei dem Bauwerk handelt es sich um das ehemalige Staatsratsgebäude der DDR, das im Jahre 1964 errichtet worden war. Ungeachtet zwischenzeitlicher Umbauten gerade der charakteristischen Fassade aus Kastenfenster-Elementen im 12-Meter-Raster wurde das Gebäude bereits im Jahre 1993 in die Denkmalliste Berlin aufgenommen. Im Rahmen einer notwendigen Grundinstandsetzung erfolgte der aufwendige Umbau zum Learning-Center der European School of Management and Technology (ESMT), einer privaten wissenschaftlichen Hochschule mit allen zeitgemäßen Lehr-, Lern- und Rekreationseinrichtungen: Im Hauptgebäude sind vorwiegend Räume für den unmittelbaren Studienbetrieb untergebracht - 5 Hörsäle, 43 Studienräume, 4 Competence-Center, Lesebereiche, Bibliothek, Audimax, Cafe und ein Restaurant. Zusätzlich befindet sich im Erdgeschoss ein öffentlich zugänglicher Bereich mit Cafe und Bookshop.
 


Die revitalisierte Fassade des Staatsratsgebäudes: Sämtliche vorhandenen Fenster wurden ausgebaut, da sich aktuellen Anforderungen an Energieeinsparung nicht mehr entsprachen.


Das Hauptgebäude fügt sich aus 3 Baukörpern zusammen. Der Haupteingang mit dem integrierten Portal IV des ehemaligen Schlosses und dem dahinterliegenden, über 3 Geschosse reichenden, Foyer bildet das Bauteil B. Von hier aus werden alle anderen Gebäudeteile über Aufzüge und Treppen erschlossen. Rechts vom Bauteil B gliedert sich das kürzere Bauteil A mit den Räumen für Restaurant und Küche, Hörsäle, Besucher und Programm-Manager an. Links von Bauteil B gliedert sich das längere Bauteil C mit den zukünftigen Räumen für das öffentlich zugängliche Cafe und den Bookshop, Studienräume, Competence-Center, Bibliothek, Hörsäle und das Audimax an. Das Gebäude besteht aus einer Stahlskelettkonstruktion mit Ausfachungen aus Mauerwerk in den Obergeschossen und einem Kellergeschoss aus Stahlbeton. Aus brandschutztechnischen Gründen - die maximal zulässige Fluchtweglänge von 80 m wurden in Bauteil C überschritten - wurde an der Fassade zum Schlossplatz ein neues Treppenhaus mit Aufzug-, Sanitär- und Technikräumen eingebaut. Die bestehenden Treppenhäuser an der Süd/Ost- und Süd/West- Fassade blieben komplett erhalten.
 
Die Fassaden: Rückbau zum Original
Die Außenfassade entsprach vor dem Umbau nicht den Anforderungen der aktuellen Energieeinsparverordnung. Daher wurden alle vorhandenen Fenster ausgebaut und durch neue ersetzt. Die Geometrie der Profile und die Oberflächen der neuen Fenster wurden in Abstimmung mit dem Landesdenkmalamt Berlin so ausgebildet, dass die Außenerscheinung des Gebäudes vollständig erhalten bleibt - d. h. man unternahm in Elementgröße, Teilung und Oberflächenoptik einen Rückbau auf die Ansicht von 1964, freilich unter Berücksichtigung aktueller Anforderungen an Wärmedämmung, Schallschutz, Lüftung und Entrauchung.
 

Historische Profiloberfläche nachempfunden
Die Oberfläche der Aluminiumprofile wird dem ursprünglichen, brillant champagnerfarbigen Ton wieder angeglichen, und auch bei der Fügungstechnik der Profile besann man sich auf die ehemals auf Gehrung geschnittenen Rahmenprofile. Seitens der Gläser ersetzte man die zuvor doppelschaligen, unbeschichteten Einfach-Verglasungen durch wärmedämmbeschichtete Isolierverglasungen mit Gasfüllung im Scheibenzwischenraum, wodurch insgesamt gute U-Werte und verbesserte Schalldämmwerte erzielt werden konnten (siehe Tabelle). Man ließ folglich eine Ebene der Kastenfenster weg, auch um ein Öffnen einzelner Flügel erstmals zu ermöglichen. In der Außenansicht ist diese Veränderung nicht sichtbar, in der Innenwirkung erscheinen die Elemente nun ein wenig tiefer und massiver.

Komfort und Brandschutz
Da im bestehenden Gebäude im Brandfall eine Entrauchung über die Fassade nicht vorgesehen war, diese aber in Zukunft baurechtlich gefordert wird, und außerdem ein Teil der Räume natürlich belüftet werden soll, wurden einzelne Fassadenbereiche mit Öffnungsflügel mit motorischem Antrieb ausgebildet. Bei den Fassadenelementen auf der Südseite montierte man einen verdeckten außen liegenden Sonnenschutz, bzw. im EG einen Sonnenschutz im Scheibenzwischenraum. Einzig die Fenster des Foyers auf der Südseite mit dem eingearbeiteten Glasbild von Walter Womacka blieben von Renovation ausgenommen. Die historischen Holzfenster im Portal wiederum wurden komplett überarbeitet und instand gesetzt.
 



In Elementgröße, Teilung und Oberflächenoptik unternahm man einen Rückbau auf die ursprüngliche Optik der Fenster aus dem Baujahr 1964. Als Grundlage für die Sonderkonstruktionen diente modernste Fenster-Systemtechnik von Schüco International.
Die Natursteinverkleidung von Portal und sonstiger Fassade befand sich in einem gutem Zustand und konnte durch eine microinversive Reinigung und Teilrestaurierung revitalisiert werden; lose Natursteinplatten wurden fachgerecht nachverdübelt.
 


Detailansicht der Elemente: In der Außenansicht identisch mit den champagnerfarbenen Kastenfenstern aus der Ursprungszeit entschied man sich im Neuaufbau aus energetischen und lüftungstechnischen Gründen für nur eine Ebene mit Wärmedämm-Isolierverglasungen.


Individuelle Fensterelemente auf Systembasis
Die Fensterelemente ab dem 1. Obergeschoss bestehen aus mehreren mehrteiligen Lochfenstern, die, über biegesteife Knoten verdeckt angeordnet, zu einer Einheit zusammengebaut wurden. Die zusammengesetzten Einzelelemente ergeben Fenstergrößen von bis zu ca. 3,6 x 9,6 Meter auf der Nordseite in der Ebene 02-03. Die Blumenfenster im 1. OG auf der Nordseite zum Schlossplatz haben eine Abmessung von ca. 3,6 x 6,22 Meter, wobei die äußere Isolierglasscheibe absturzsicher in der Abmessung 1,9 x 5,2 Meter zur Ausführung kommt. In die Konstruktionen werden Öffnungselemente als Drehflügel mit motorischem Antrieb in der Größe bis zu ca. 1,82 x 2,85 Meter eingesetzt. Technische Grundlage der beschriebenen Sonderkonstruktionen bilden wärmegedämmte Aluminiumprofile von Schüco International. So konnte auf der gesicherten Basis modernster, geprüfter Systemtechnik die historische Optik unter Berücksichtigung aller Komfortansprüche und bautechnischen Anforderungen realisiert werden.
 
Die Montage der Elemente erfolgte in die vorhandenen Rohbauöffnungen, dabei wurden sie auf der Brüstung abgestellt und spannen bis zum Sturz der Geschossdecken. Die Fensterelemente im Erdgeschoss hingegen wurden als Einzelelemente in die vorhandenen Rohbauöffnungen montiert. Der äußere Anschluss zur bestehenden Natursteinfassade erfolgt umlaufend über eine Blechverkleidung.

Alle Öffnungselemente erhielten elektrische Fensterantriebe. Die Antriebe werden als Kettenantriebe für den integrierten Einbau im Fensterprofil zur Einbindung in das RWA- System eingesetzt. Zusätzlich wurde für die Verrieglung der Elemente ein Verriegelungsantrieb mit werkseitig programmierten Schließkräften und -geschwindigkeiten eingesetzt.
 

Seit dem 9. Januar 2006 läuft der Studienbetrieb im revitalisierten Staatsratsgebäude in Berlin mit einem Fulltime-MBA Programm (Master of Business Administration). Die European School of Management and Technology unterhält zwei weitere Standorten in Deutschland - einer ist der Campus in München, die Wappenhalle im ehemaligen Flughafengebäude, ein dritter Ausbildungsort befindet sich in der Nähe von Köln.

Technische Anforderungen an die neuen Fensterelemente

Uf,BW 2,2 W/(m²K)
Uw 1,6 W/(m²K)
Schallschutz R’w = 37 dB
 
Projektbeteiligte
European School of Management and Technology (ESMT), Berlin
(Saniertes ehemaliges Staatsraatsgebäude der DDR)

Projektbeteiligte (Auswahl)
Bauherr: ESMT Erste Fondgesellschaft mbH & Co. KG, Berlin
Planung: Architekturbüro HG Merz GmbH, Berlin
Generalunternehmer: HOCHTIEF Construction AG
Fassadenplanung: Richard Fuchs, München (Entwurf); Bonik & Pfeifer Fassadentechnik GmbH, Benzheim (Ausführungsplanung)
Verarbeiter / Metallbaubetrieb: Haskamp Metallbau GmbH & Co. KG, Edewecht

 
Quelle + weitere Informationen
Schüco International KG
Karolinenstraße 1-15
33609 Bielefeld
Tel.: +49 (0)5 21/78 30
Fax: +49 (0)5 21/78 34 51
info@schueco.com
www.schueco.com



Die neuen Fensterelemente sind bedarfsgerecht mit der neuesten Systemtechnik von Schüco ausgestattet. Einzelne Öffnungselemente sind als Drehflügel mit motorischem ausgestattet und werden im Rahmen des Brand- und Rauchschutzkonzeptes in das RWA-System eingebunden.

Fotos: Schüco International KG
   

 
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